„Handball-Kaiser“ Brand: Mahner und Kritiker
Kamen (dpa) - Er verlor seinen Bart, jedoch nicht seine Haltung, er wurde auf Schultern getragen, behielt aber immer die Bodenhaftung: Heiner Brand hat dem deutschen Handball die erfolgreichste Zeit beschert und ihm ein Gesicht gegeben, ohne sich zu verbiegen.
Geradlinig, bisweilen brummig, aber meist sympathisch und mit trockenem Humor war der Gummersbacher in vorderster Linie bester Werbeträger für seine Sportart. Mit der ihm eigenen Konsequenz zieht er nun den Schlussstrich unter seine medaillenträchtige Karriere als Bundestrainer und sich auf die administrative Ebene zurück.
Die Strapazen der jüngsten sportlichen Misserfolge und der Jahre lang vergebliche Kampf für eine starke Nationalmannschaft haben ihre Spuren hinterlassen. Mit seiner zum 30. Juni angekündigten Demission beendet der 58-Jährige die bislang erfolgreichste Ära im deutschen Männer-Handball. In den dann 5293 Tagen seiner Amtszeit blieb dem „Handball-Kaiser“ nur ein Olympiasieg verwehrt.
Als zwölfter Auswahltrainer in der Geschichte des Deutschen Handballbundes (DHB) hat sich Brand eine Ausnahmestellung erarbeitet. Der Weltmeister als Spieler 1978 und Trainer 2007 ist weit über die Grenzen seiner Sportart hinweg berühmt und geachtet. Und sein Schnauzbart als Markenzeichen brachte ihm 2007 gar die Ehrung als „Bartträger des Jahres“ ein.
Den buschigen Schnauzer hatte Brand 2004 verloren. Seine „Goldene Generation“ hatte in Ljubljana EM-Gold gewonnen und der Bart musste als Wetteinsatz dran glauben. Erst zum zweiten Mal nach 1982 und bislang letzten Mal kam der Bart ab, der auch drei Jahre später beim WM-Triumph im eigenen Land im Mittelpunkt stand: Die Spieler kamen mit angeklebten Bärten zur Siegerehrung. Brand war Kult.
Am 1. Januar 1997 hatte der Gummersbacher nach der verpassten WM 1997 in Japan den Posten übernommen. Seinen Ruf als Erfolgstrainer begründete er bereits im Jahr darauf, als er mit den damals unerfahrenen Stefan Kretzschmar, Daniel Stephan, Markus Baur, Henning Fritz und Christian Schwarzer EM-Bronze holte. Zugleich war damit die spätere „Goldene Generation“ geboren, die zwischen 2002 und 2007 fünf Finals bei Olympia, WM und EM erreichte.
Als Architekt des Erfolges hat Brand aber auch zunehmend auf die Gefahr hingewiesen, dass die Serie der Medaillengewinne endlich ist, wenn nicht starke Handballer nachwachsen. So hat er sich in den vergangenen Jahren einen Ruf als Mahner, Kritiker und engagierter Kämpfer für seine Sportart aufgebaut. Damit ist er vor allem in der Bundesliga immer wieder angeeckt, der er zu wenig Einsatz für das Aushängeschild Nationalmannschaft vorwirft. „Ich habe genügend Material, um später einmal mit Abstand darüber zu sprechen“, meinte Brand bei der WM in Schweden, „ich mache mir schon ein paar Jahre Gedanken über den Handball und seine Zukunft.“
In Schweden erlebte er seinen Tiefpunkt mit Rang elf und der schlechtesten deutschen WM-Platzierung. „Letzten Endes ist das eine Entwicklung, vor der ich immer gewarnt habe, aber die ich auch versucht habe zu verhindern und auch geglaubt habe, es zu schaffen. Diesmal hat es nicht hingehauen“, gestand Brand ein. Seit WM-Gold 2007 ging der Trend stetig nach unten: Vorrunden-Aus bei Olympia 2008, zehnter Platz bei der EM 2011 und nun nur WM-Elfter.
Der einstige Abwehrstratege, der mit seinem Club VfL Gummersbach alle nationalen und internationalen Trophäen gewonnen hat, hatte einst das deutsche Spiel reformiert. Durch Auslösehandlungen wurden Spielzüge eingeleitet. Doch das „System Brand“ hat ausgedient. „Man muss heute aus diesem Auslösehandlungen auch individuelle Stärke bringen und auch für ein Tor arbeiten“, sagte Brand. Doch eben an dieser individuellen Stärke mangelte es seinen Spielern im Vergleich mit den Top-Teams der Welt in zunehmend. Und der Gummersbacher beklagte das Fehlen von Führungsspielern. „Solche Spieler kann man sich nicht basteln.“ Die Suche danach muss nun sein Nachfolger übernehmen.