Handball-Legende Kempa auch mit 90 noch am Ball
Göppingen (dpa) - Es ist eine der eindrucksvollsten Szenen der Weltmeisterschaft 2007 in Deutschland: Der Kieler Linksaußen Dominik Klein netzt bei hohem Luftstand nach Pass von Regisseur Markus Baur mit einem Kempa-Trick ein.
Nach diesem Tor in der Verlängerung des Halbfinales gegen Frankreich erreicht das Team von Heiner Brand die zweite Verlängerung, schließlich das Finale und wird Weltmeister. Der Mann, der einst diesen Trick erfand, saß stolz auf der Tribüne: Bernhard Kempa. Am Freitag wird die Göppinger Handball-Legende 90 Jahre alt.
Er fühle sich gesund und fit, sagt Kempa. Die Schar der Gratulanten ist groß. Zu den Feierlichkeiten auf Burg Staufeneck erwartet der Träger des Bundesverdienstkreuzes viel Prominenz, darunter auch EU-Kommissar Günther Oettinger, den ehemaligen baden- württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth und Dieter Hundt, den Aufsichtsratsvorsitzenden des VfB Stuttgart. Die Anerkennung habe sich Kempa verdient, würdigt Bundestrainer Heiner Brand den Jubilar: „Welcher Spieler darf sich schon rühmen, einen Trick nach seinem Namen benannt zu sehen? Das lässt ihn im deutschen Handball ewig in Erinnerung bleiben.“
Die Geschichte dieses Tricks beginnt im Training seines Clubs Frisch Auf Göppingen, das entnimmt Kempa seinem „Grünen Ordner“, in dem er alle wichtigen Etappen seiner Sportler-Biografie aufbewahrt. „Ein Anspieler hebt den Ball über die Abwehr, sein Mitspieler springt möglichst hoch in den Wurfkreis, fängt den Ball noch im Flug und wirft ein Tor“, notierte er. Das erste Mal vorgeführt wurde dieser Trick am 24. März 1954 in Karlsruhe, im inoffiziellen Länderspiel gegen Schweden. „Beim ersten Mal klappte es nicht, weil ich die Größe der schwedischen Spieler falsch eingeschätzt hatte“, erzählt Kempa im Buch „Monsieur Handball“, das 2007 sein Leben würdigte.
Auch 56 Jahre später gehört dieser Spielzug, der weitere Varianten erfahren hat, zum Standardrepertoire jeder hochklassigen Mannschaft. „Ich bin natürlich froh, dass ich es war, der den Trick erfunden hat. Dass er so gut ankommt, das hätte ich damals auch nicht gedacht“, sagt Kempa.
Seine Karriere lässt sich aber keinesfalls auf die geniale Erfindung reduzieren: Kempa zählte zu seiner aktiven Zeit zu den besten Handballern der Welt. 1952 und 1955 wurde er mit der Bundesrepublik Weltmeister auf dem Feld; das Finale 1955 gegen die Schweiz (25:13) im Dortmunder Stadion Rote Erde, als Kempa sieben Tore warf, verfolgten über 50 000 Zuschauer. 1954 wurde der 31- malige Nationalspieler in Schweden Vize-Weltmeister.
Vor allem aber begründete Kempa wie kein anderer die große Tradition von FA Göppingen: Mit diesem Club gewann er als Spieler vier Titel - 1954 und 1957 in der Halle, 1954 und 1955 auf dem Feld. Als Trainer holte er fünf weitere Meisterschaften in der Halle, außerdem den Europapokal (1960). „Nun hat der deutsche Handball seinen Fritz Walter verloren. Und wie beim Fußball muss man darauf warten, bis ein neuer geboren wird“, schrieb die „Handballwoche“ nach Kempas Karriereende.
Der Weg nach Göppingen war verschlungen. Geboren wurde Kempa 1920 im schlesischen Oppeln, wo er das Handballspielen beim Post-SV Oppeln erlernte. Am Ende des Krieges verschlug es ihn nach München. Obwohl er ein Angebot von 1860 München besaß, es als Fußballer in der Oberliga zu versuchen, blieb er doch beim Handball. Nach Göppingen zog es ihn 1947, weil der Verein ihm eine Wohnung und auch einen Arbeitsplatz verschaffen konnte. Später versuchte er sich im Tennis. Als Senior gewann er ab 1971 50 deutsche, 41 europäische und drei Weltmeister-Titel. Noch mit 90 schwingt der frühere Oberstudienrat beim TC Göppingen und in seinem Wohnort Bad Boll zweimal in der Woche das Racket und bleibt somit am (Filz)-Ball.