Analyse WM-Bilanz: Was unseren Handballern glückte - und was nicht
Herning · Die deutschen Handballer haben trotz der verpassten Medaille viele Fragezeichen in Ausrufezeichen verwandelt. Aber es gibt auch noch Baustellen - eine Bilanz.
Am Sonntagabend gab es noch ein gemeinsames Abendessen. In Herning. Zusammen sitzen. Reden. Und vor allem anstoßen. Nach „einer intensiven Zeit“, wie es Bundestrainer Christian Prokop ausdrückte. Eine Zeit, in der die deutschen Handballer viele Fragezeichen in Ausrufezeichen verwandelt haben. In der vieles glückte, aber nicht alles.
Sportlich zurück an der Spitze
Sportlich sind sie zurück in der Weltspitze angekommen, auch wenn das am Ende nicht mit einer Medaille gekrönt wurde. Bitter ist: Der Vierte verlässt das Turnier mit zwei Niederlagen. „Ein fader Beigeschmack“ blieb da bei Torwart Silvio Heinevetter. „Die schlechten Emotionen überwiegen“, gab Patrick Groetzki zu.
Doch der Rechtsaußen schätzte es richtig ein:„In ein paar Tagen werden wir wahrscheinlich realisieren, was wir geschafft haben.“ Natürlich wollten sie am Sonntag wenigstens Dritter werden. „Wir hätten es auch verdient gehabt“, wie Bundestrainer Christian Prokop mit etwas feuchten Augen sagte. Dann hätten sie sich bei der Medaillen-Zeremonie noch einmal feiern lassen können. Doch schon nach der verdienten Halbfinal-Niederlage am Freitag gegen Norwegen predigte der 40-Jährige: „Es geht nicht nur um das Endergebnis, sondern um die Art und Weise, wie wir Handball spielen.“
Das Team hat Euphorie entfacht
Diese Mannschaft trat vor zweieinhalb Wochen an, um die heimischen Fans zu begeistern. Und das tat sie. Weil sie alles gab. Weil sie stellenweise die weltbeste Abwehr aufs Feld brachte. Weil sie zusammenstand. Mantraartig hatten alle Beteiligten seit Monaten das neue Zusammengehörigkeitsgefühl angesprochen, es förmlich beschworen. Doch es waren keine Floskeln. Diese Truppe zog tatsächlich an einem Strang. Natürlich schweißte das besondere Erlebnis einer Heim-WM alle zusammen. Da disziplinierte sich jeder noch ein bisschen mehr. Doch nicht nur Patrick Wiencek hatte nach zehn Partien binnen 17 Tagen das Gefühl: „Wir sind gut zusammengewachsen.“ Auch Prokop erklärte: „Mir hat das einen Riesenspaß gemacht.“
Vor einem Jahr hatte er, wie er selbst zugab, während der EM in Kroatien den Zugang zu seiner Mannschaft verloren. Mittlerweile hat er den wieder gefunden. Er hat sich gewandelt. Nicht komplett, aber in vielen Punkten. Er lässt seiner Truppe mehr Spielraum, mehr Entscheidungsgewalt. Er selbst wirkt souveräner, gerade bei Auszeiten aufgeräumter. Er hat stark an sich gearbeitet. Eines wird er wohl aber trotzdem nie: ein lockerer Typ. Muss er aber auch nicht.
Trainer baut auf Teamgeist
Prokop wird auch in Zukunft auf den Teamgeist bauen. Da bleibt ihm keine andere Wahl. Ein Superstar, wie ihn die Dänen mit Mikkel Hansen oder die Norweger mit Sander Sagosen haben, ist in Deutschland nicht in Sicht. Es gibt Talente, aber nicht diesen Überflieger. „Der Star ist die Mannschaft“, betonte der Bundestrainer am Sonntag.
„Wir können in allen Punkten noch zulegen“, sieht Patrick Wiencek weiter Optimierungsbedarf. Der am Kreuzband verletzte Julius Kühn wurde im linken Rückraum stark vermisst, auch der Ausfall von Martin Strobel während der dramatischen Kroatien-Partie fiel schwerer ins Gewicht, als das zunächst angenommen werden musste. „Das hat uns wehgetan“, erklärte Heinevetter am Sonntag noch einmal. Doch auch mit Strobel hätte uu den beiden besten WM-Mannschaften aus Dänemark und Norwegen noch einiges gefehlt. Diese beiden Teams sind der Konkurrenz etwas enteilt.
Das ist die größte Baustelle
Insgesamt bleibt der Angriff die größere Baustelle der DHB-Auswahl. Außer Uwe Gensheimer rief bei diesem Turnier in der Offensive kein deutscher Spieler sein Potenzial konstant ab. Trotzdem genügte das, um die Franzosen zwei Mal an den Rand einer Niederlage zu bringen sowie die Kroaten und die Spanier zu schlagen. Damit haben die deutschen Handballer „viele Fans erreicht“, wie Prokop stolz festhielt. Sie haben einen neuen Weg eingeschlagen. Auf dem marschieren sie gemeinsam. Das durften sie am Sonntagabend feiern. Auch ohne Medaille.