Heiner Brand: „Egoismus hinten anstellen“

Düsseldorf (dpa) - Seit dem Ende der Handball-WM in Schweden, bei der die deutsche Mannschaft mit Rang elf enttäuschte, wird über die Zukunft von Bundestrainer Heiner Brand diskutiert.

Auch dessen Bereitschaft, bis zum 30. Juni 2011 im Amt zu bleiben, sorgte nicht für ein Ende der Spekulationen. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa nimmt Brand Stellung.

Viele Beobachter haben nach der enttäuschenden WM in Schweden mit Ihrem Rückzug gerechnet. Was hat Sie bewogen, zumindest bis zum Sommer Bundestrainer zu bleiben?

Brand: „Sicherlich der Wunsch des DHB-Präsidiums und der HBL-Spitze. Aber bei dieser Entscheidung haben auch emotionale Dinge eine Rolle gespielt. Zum Beispiel der Empfang der Zuschauer beim Allstar-Game in Leipzig. Oder dass viele Ehemalige per SMS versucht haben, mich zum Weitermachen zu bewegen.“

Dennoch wird weiter gerätselt. Schließlich wurde die Diskussion nur aufgeschoben und nicht aufgehoben.

Brand: „Das könnte man so sehen. Eigentlich hatte ich für mich bereits eine andere Entscheidung getroffen. Aber ich habe eine gewisse Verantwortung. Diese Lösung kann angesichts der in Kürze anstehenden EM-Qualifikationsspiele nur die einzige vernünftige sein. Da muss Du Deinen Egoismus hinten anstellen und die Verantwortung tragen. Was im Sommer kommt, habe ich bewusst offen gelassen. Man hat keinen Zeitdruck mehr und kann überlegen, wie man weiter vorgeht.“

Aber gibt es für Sie überhaupt noch die ernsthafte Option, auch nach dem Sommer Bundestrainer zu bleiben?

Brand: „Im Moment kann ich mir das weniger vorstellen. Aber deswegen haben wir uns ja bewusst diesen Zeitrahmen gesetzt. Einige Dinge sehen mit etwas Abstand anders aus. Ich weiß noch nicht, wie es im Sommer tatsächlich aussieht. Man soll solche Sachen nie ganz auschließen. Warten wir mal ab.“

Eine Funktionärstätigkeit im Handball haben Sie noch vor wenigen Monaten für sich ausgeschlossen. Jetzt wird angeblich daran gearbeitet, dass Sie vom Sommer als Sportdirektor eingebunden werden sollen.

Brand: „Einen Sportdirektor haben wir im Verband schon. Meine Tätigkeit wäre im Leistungssport angesiedelt. Wenn man Dinge für den Leistungssport tut, ist das keine Funktionärstätigkeit, sondern eine weiterentwickelte Trainertätigkeit. Es würde dann darum gehen, ein paar Dinge konzeptionell auf dem Weg zu bringen. Zum Beispiel den Nachwuchs noch besser auszubilden oder die Trainerausbildung zu optimieren. Aber das sind nur erste Gedankengänge.“

Schon werden Namen für das Amt des Bundestrainers gehandelt wie Christian Schwarzer oder Markus Baur. Könnte es dazu kommen, dass Sie Ihren Nachfolger mit aussuchen?

Brand: „Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich halte beide für sehr qualifiziert. Aber Namen will ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht kommentieren.“

Hat das schlechte WM-Abschneiden Ihrem bis dahin guten Image geschadet?

Brand: „Klar haben einige versucht, daran zu kratzen. Das ging zum Teil ins Persönliche, das hat mich gewundert. Eigentlich sollte man doch über fachliche Dinge reden. Da kam wenig. Aber wenn ich die Reaktion der Zuschauer in Leipzig sehe, denke ich nicht, dass mein Image Schaden genommen hat. Sportliche Rückschlage gehören dazu.“

Seit Jahren fordern Sie vergeblich eine Quotenregelung für deutsche Spieler in der Bundesliga. Glauben Sie wirklich, dass die Vereine sich nach der WM dieser Idee annähern?

Brand: „Da wird nichts kommen in Richtung Quote. Einige haben gleich nein gesagt, obwohl ich nach der WM gar nicht davon gesprochen habe. Das war sehr interessant. Eine Quote für deutsche Spieler wird nicht kommen. Wir werden darüber diskutieren, wo man was verbessern kann. Zum Beispiel im Bereich Ausbildung. Obwohl unsere jungen Spieler nicht schlechter als die aus anderen Nationen sind. Das behaupten die, die noch nie ein Junioren-Turnier gesehen haben.“

Wie ist Ihr Eindruck nach der Gründung der sogenannten Task Force? Lässt sich in der Bundesliga überhaupt etwas bewegen?

Brand: „Wir haben uns schon vor der WM in dieser Arbeitsgruppe Gedanken gemacht. Es ist nicht so, dass das nur in der Panik der WM passiert ist. Dass wir sicherlich nicht bei allen Zustimmung finden werden, ist klar. Dann muss man das eben mit denen machen, die die Bereitschaft haben und die Bedeutung der Nationalmannschaft erkennen. Wir werden etwas bewegen. Es gibt auch viele Vernünftige.“

Ist es vorstellbar, dass die populärste Figur des Handballs dem Sport im Sommer ganz den Rücken kehrt?

Brand: „Ich bin nicht ganz beratungsresistent. Außerdem: So alt bin ich noch nicht.“