Kandidatur abgelehnt: Digel kritisiert DHB
Leipzig (dpa) - Fehlende Professionalität in der Vergangenheit, überkommene Strukturen und Lob für Ex-Chef Bernhard Bauer: Nach dem Verzicht auf seine Kandidatur als Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB) geht Top-Funktionär Helmut Digel mit dem Verband hart ins Gericht.
„Die Strukturen des deutschen Handballs sind schon seit längerer Zeit reformbedürftig. Meine Vorstellungen von einer modernen Sportorganisation wären derzeit im DHB nicht umzusetzen“, sagte der 71-Jährige in einem Interview des am 14. Juli erscheinenden Fachmagazins „Handballwoche“. Digel plädierte dafür, dass der Verband von einem hauptamtlichen Vorstand geführt und dieser von einem ehrenamtlichen Aufsichtsrat überwacht wird.
Digel, ehemaliger Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) und noch Mitglied im Council des Leichtathletik-Weltverbandes (IAAF), steht dem Wissenschaftlichen Beirat des DHB vor. Der frühere Handballer bestätigte eine Anfrage der Findungskommission, ob er die Nachfolge des zurückgetretenen Verbandschefs Bauer antreten wolle. Nach Digels Ablehnung hatte das Gremium einstimmig Andreas Michelmann als Kandidaten benannt. Der Vizepräsident für Amateur- und Breitensport soll am 26. September in Hannover auf einem Außerordentlichen Bundestag in sein neues Amt gewählt werden.
Digel kritisierte die Versäumnisse im DHB scharf. „Die herausragende Rolle, die der deutsche Handball in der Vergangenheit besaß, wurde in den letzten beiden Jahrzehnten durch einen Mangel an professioneller Führung immer mehr verspielt“, sagte der Sportwissenschaftler der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Montag). Eine professionelle Vermarktung habe weder bei den Nationalmannschaften noch bei den Fernsehrechten stattgefunden. Der Verband habe sich daher „finanziell in einer äußerst schwierigen Situation“ befunden.
Umso höher sei zu bewerten, was Bauer in seiner kurzen Amtszeit zwischen September 2013 und März 2015 erreicht habe. „Der DHB wird in den internationalen Gremien zumindest wieder gehört - und dies ohne Sitz im Exekutivkomitee der International Handball Federation IHF“, sagte Digel im Interview der „Handballwoche“.
Deswegen machte sich Digel für eine Rückkehr Bauers ins Präsidentenamt stark. Voraussetzung dafür sei aber, dass Bauer sein eigenes Führungsteam aufstellen kann und es eine klare „Trennung zwischen einer Verantwortung im Präsidium des DHB und einer Verantwortung in der Bundesliga“ gibt. „Nur auf diese Weise kann Interessenskonflikten vorgebeugt werden“, sagte Digel. Dies zielt auf Bob Hanning ab, der im DHB Vizepräsident Leistungssport und zugleich beim EHF-Pokalsieger Füchse Berlin Geschäftsführer ist. Bauer war wegen internen Querelen mit Hanning zurückgetreten.
Digel forderte schnelle Reformen. Nach seiner Meinung hätte der Außerordentliche Bundestag bereits notwendige Satzungsänderungen beschließen können. Mittelfristig sollte der Verband nach dem Vorbild des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) von „einem angemessen bezahlten Präsidium“ geführt und dieser von einem ehrenamtlichen Aufsichtsrat überwacht wird. Dem Aufsichtsrat sollten die Landesverbände und die Bundesligen angehören.