„Liebenswerter Chaot“: Kraus bleibt Nationalspieler
Leipzig (dpa) - Michael Kraus ist wieder einmal das Sorgenkind des deutschen Handballs. Dem 30 Jahre alten Nationalspieler vom Bundesligisten Frisch Auf Göppingen droht wegen Verstößen gegen die Anti-Doping-Regeln nun im schlimmsten Fall sogar eine Sperre von zwei Jahren.
Noch nach seinem famosen Länderspiel-Comeback im April war Michael Kraus sicher, die Wankelmütigkeit der vorherigen Jahre aus seinem (Sportler-)Leben verbannt zu haben. „Ich bin reifer geworden“, sagte er nach den Partien gegen Ungarn. Nur drei Monate später aber stellt sich die Situation schon wieder anders da.
Der Deutsche Handballbund (DHB) steht zu seinem vorläufig suspendierten Spielmacher. Der Vorwurf, dass Kraus dreimal binnen 18 Monaten die Meldepflicht für seinen Aufenthaltsort nicht erfüllt hat, steht dessen Zukunft in der Nationalmannschaft nicht entgegen. „Wenn er nach der Sperre seine Leistung bringt, wird er wieder ins Team aufgenommen. Denn er ist einer, der immer für die Nationalmannschaft brennt“, sagte Bob Hanning, Vizepräsident Leistungssport im Deutschen Handballbund (DHB), der Nachrichtenagentur dpa. Und weiter: „Es wäre eine andere Situation, wenn es einen positiven Dopingbefund gegeben hätte. Das wäre das Karriereende gewesen.“
Als Mitglied des A-Kaders zählt Kraus zum Nationalen Testpool der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) und muss vor Beginn eines Quartals zum jeweils 25. des Monats Angaben über Aufenthaltsort und Erreichbarkeit in das Anti-Doping Administrations & Management System (ADAMS) eingeben. Ist ein Athlet für eine Dopingkontrolle nicht am angegebenen Ort anzutreffen und auch nicht telefonisch zu erreichen, so kann dies als Meldepflicht- und Kontrollversäumnis gelten - und damit als Dopingfall gewertet und mit zwei Jahren Sperre geahndet werden.
Im DHB kommt man mit der Suspendierung und dem verbandsinternen Disziplinarverfahren den Verpflichtungen des NADA-Codes nach. Wie Kraus betonte auch Leistungssportchef Hanning, dass es keine positive Probe gegeben hat und sieht den Fall eher als Kavaliersdelikt. „Er ist eine Woche vorher und eine Woche nachher getestet worden und es gibt nichts, was auch nur zu 0,1 Prozent auf ein Vergehen hinweist“, erklärte Hanning.
Was ihn auf dem Handball-Parkett so wertvoll macht, bringt Michael „Mimi“ Kraus außerhalb der Hallen immer wieder in die Bredouille: seine Unberechenbarkeit. „Er ist ein liebenswerter Chaot“, sagte Hanning, „du musst Mimi so nehmen wie er ist. Dazu gehört auch seine Schusseligkeit. Aber er muss jetzt erwachsen werden, auch weil es für unsere Sportart nicht gut ist, wenn man mit sowas in die Öffentlichkeit kommt.“
Denn der deutsche Handball kann einen Fall Michael Kraus gerade derzeit überhaupt gebrauchen. Die eigentlich verpasste WM-Qualifikation der Männer, das Lizenz-Hickhack um den HSV Hamburg und die Diskussionen bei der Suche nach einem neuen Männer-Bundestrainer haben das Image in jüngster Vergangenheit tüchtig ramponiert.
Dies überdecke das packendste Meisterschaftsfinale, den Champions-League-Sieg der SG Flensburg-Handewitt oder auch den DHB-Pokalsieg der Füchse Berlin, befand Hanning. „Wir sind die einzige Sportart, die es immer wieder schafft, sich von innen heraus anzugreifen“, sagte der DHB-Sportchef, „wir haben so ein geiles Produkt. Und was machen wir? Wir zerfleischen uns wieder selbst.“
So lange kein Nachfolger für Martin Heuberger als Bundestrainer gefunden ist, ist auch die Zukunft von Co-Trainer Jan Gorr offen. Ob er bleibt, „hängt von der Bundestrainer-Suche ab. Ich lasse dem Bundestrainer da freie Hand“, sagte Hanning. Zugleich lehnte er Forderungen wie vom von Weltmeister-Trainer Heiner Brand ab, dass der neue Bundestrainer Deutscher sein müssen. „Da würden wir uns ja selbst einschränken“, sagte er.