Lizenz für HSV-Handballer - Schiffbruch für die Liga

Hamburg (dpa) - Wut und Befremden. Das waren die ersten Reaktionen aus der Handball-Bundesliga nach der überraschenden Lizenzerteilung für den HSV Hamburg.

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„Wir akzeptieren das Urteil juristisch, moralisch tun wir es nicht“, sagte Holger Kaiser, Geschäftsführer des Ligaverbandes HBL, der dpa. Die von dem Urteil mitbetroffenen drei Vereine reagierten schockiert. Für den nun doch abgestiegenen HBW Balingen-Weilstetten sprach Geschäftsführer Bernd Karrer in den „Stuttgarter Nachrichten“ von „Wahnsinn“. Coach Michael Roth vom verhinderten EHF-Pokal-Teilnehmer MT Melsungen witterte ein Komplott: „Das ist verwunderlich. Das ist blamabel und spricht nicht gerade für die HBL. Irgendwas stimmt da nicht.“ Von HSV-Seite wiederum schossen Interimspräsident Frank Spillner und der Anwalt gegen die HBL.

Nachdem den finanziell massiv angeschlagenen Hanseaten die Spielberichtigung für die kommende Saison in zwei Instanzen zunächst verweigert worden war, sorgte das HBL-Schiedsgericht am Mittwochabend nach achtstündiger Marathonsitzung in einem Hotel in Minden für eine große Überraschung und erteilte dem deutschen Meister von 2011 und Champions-League-Sieger von 2013 doch noch die Lizenz. Wenn auch unter Bedingungen. So muss der Club bis zum 1. Juli, 17.00 Uhr, liquide Mittel nachweisen. Dem Vernehmen nach geht es um rund fünf Millionen Euro - rund 2,75 Millionen für Verbindlichkeiten aus der Vorsaison und etwa zwei Millionen für die kommende Spielzeit.

„Aber was sind die Folgen, wenn der HSV bis zum 1. Juli doch nicht die erforderlichen Nachweise erbracht hat? Muss bzw. darf er dann trotzdem antreten und gilt dann als erster Absteiger der neuen Saison? Oder spielen wir mit 17 oder gar mit 19 Mannschaften?“, fragte Melsungen-Vorstand Axel Geerken nicht zu Unrecht. „Ich bin mir sehr sicher, dass die Vereinsvertreter bei der Ligatagung nächste Woche noch viel mehr Fragen haben werden.“ Balingen-Geschäftsführer Karrer führte in der „Südwest Presse“ weiter aus: „Die Glaubwürdigkeit des deutschen Handballs leidet unheimlich darunter.“ Dem unseriösen Wirtschaften werde damit „Tür und Tor geöffnet“.

Auch die Verantwortlichen der HG Saarlouis, die Drittligist bleibt, reagierten mit großem Unverständnis. „Wir haben seit der Entscheidung der zweiten Instanz vor fünf Wochen intensiv auf die 2. Liga hingearbeitet. Mit so einem Urteil hat absolut niemand gerechnet“, sagte der HG-Vorsitzende Richard Jungmann der „Saarbrücker Zeitung“.

Manager Dierk Schmäschke vom nicht unmittelbar betroffenen Champions-League-Sieger SG Flensburg-Handewitt sorgte sich unterdessen um den Ruf der Liga: „Der deutsche Spitzenhandball allgemein sollte sich schleunigst wieder auf seine Stärken besinnen und wichtige Themen intern gut vorbereiten und erörtern, um nicht weiterhin Negativschlagzeilen zu produzieren“, sagte er der dpa.

Das dreiköpfige Schiedsgericht, zu dem der Rechtsanwalt und Notar Frank Lau (Stade) als Vorsitzender und zwei von der HBL und dem HSV benannte Beisitzer gehörten, folgte offenbar mehrheitlich der Argumentation der zwei HSV-Anwälte: „Der HBL ist ein unerklärlicher Kapitalfehler unterlaufen“, kritisierte Thomas Summerer, einer der Rechtsvertreter, im „Hamburger Abendblatt“. Und der „Bild“ sagte er: „Die HBL hat Bedingungen und Auflagen nicht geprüft und ihre Dienstleistungspflicht gegenüber den Vereinen grob missachtet.“

Vor dem Schiedsgericht soll es laut Richtlinien lediglich um formale Fehler gegangen sein, nicht um Zahlen und Fakten. Die HBL hätte spätestens in zweiter Instanz „unsere Lizenzfähigkeit durch Auflagen oder Bedingungen herstellen müssen“, klagte HSV-Interimspräsident Spillner über den Ligaverband. Kaisers Äußerung, dass „der HSV die Zahlen zuvor kannte und den Nachweis der Liquidität schon vor einem Monat hätte erbringen können“, konterte Spillner: „Das ist aber nicht angefordert worden.“ Es gehe jetzt darum, „bis zum 1. Juli ein Papier zu beschaffen, in dem steht, dass wir Liquidität beschaffen können“.

Beim HSV ruhen die Hoffnungen ausgerechnet wieder auf dem früheren Präsidenten und Mäzen Andreas Rudolph, dessen Rücktritt am 8. Mai die aktuelle Krise erst ausgelöst hatte. „Der HSV Hamburg ist ein Stück Andreas Rudolph und seine Leidenschaft. Und wenn er jetzt derjenige ist, der uns aus dieser Situation heraushilft, dann ist er genau der Richtige“, sagte Holger Liekefett dem Branchenmagazin „Sponsors“. Dem „Abendblatt“ hatte der Manager zuvor bereits gesagt: „Hinter uns liegt ein Berg von Arbeit, und nun ist da der nächste Berg Arbeit.“

HBL-Geschäftsführer Kaiser befürchtet für die Zukunft: „Nach diesem Urteil können wir niemandem mehr die Lizenz verweigern.“ Für die empörten Reaktionen der anderen Clubs habe er „vollstes Verständnis“.