Scheidender DHB-Chef: „Stolz bin ich auf gar nichts“
Leipzig (dpa) - Der Deutsche Handballbund (DHB) steht vor seinem größten Umbruch seit 1998. Ulrich Strombach aus Gummersbach gibt am Samstag auf dem Bundestag in Düsseldorf sein Amt als Präsident ab, als Nachfolger ist der 62 Jahre alte Bernhard Bauer auserkoren.
Im Interview der Nachrichtenagentur dpa zieht der 69-jährige Jurist Strombach Bilanz, begründet seinen Verzicht auf eine weitere Amtszeit und erteilt seinem Nachfolger sowohl einen Rüffel als auch einen Rat.
Frage: Am Samstag haben Sie auf dem Bundestag in Düsseldorf Ihren letzten Auftritt als DHB-Präsident nach fast 15 Jahren. Wie viel Wehmut ist dabei?
Antwort: Wehmut ist nicht das richtige Wort. Ich habe wunderschöne Jahre erlebt im DHB. Wir haben viele kontroverse Lösungen suchen müssen. Wir haben uns auseinandergesetzt, aber letztlich immer zu vernünftigen, einvernehmlichen Lösungen gefunden. Und das über diesen langen Zeitraum. Und dass man mit dem Ergebnis und damit auch mit der Tätigkeit des Präsidenten nicht so ganz unzufrieden gewesen ist, zeigt ja die permanente Wiederwahl mit immer steigenden Mehrheiten.
Frage: Warum geben Sie das Amt jetzt ab? Sind Sie amtsmüde?
Antwort: Das bin ich nicht. Ich bin 69 Jahre alt und meine Zusage an meine Familie vor vielen, vielen Jahren lautete, dass mit über 70 Jahren eine solche Tätigkeit auf gar keinen Fall mehr vorhanden sein sollte.
Frage: In welchem Zustand haben Sie 1998 den DHB übernommen und in welchem Zustand übergeben Sie ihn?
Antwort: Am besten nehmen Sie sich aus den Sitzungsunterlagen des Bundestages den Bericht des Vizepräsidenten Finanzen, Wolfgang Gremmel. Und da finden Sie einen finanziellen Ausgangspunkt und einen finanziellen Endpunkt. Und wenn Sie die Einzelpositionen, die er dort beschreibt, voneinander subtrahieren, dann finden Sie eine finanzielle Entlastung in dieser Zeit in einer siebenstelligen Höhe, wobei die erste Zahl keine Eins und auch keine Zwei ist.
Frage: Nun kommt nicht jeder an den Finanzbericht von Herrn Gremmel. Wie hoch war denn der Schuldenberg?
Antwort: Dieses Zahlenwerk ist so eindeutig und deswegen habe ich mich damit jetzt nicht nochmal konkret befasst. Aber es war keine kleine siebenstellige Summe. Und jetzt gibt es überhaupt keine Schulden mehr. Im Gegenteil: Wir haben ja ein nicht unerhebliches Vermögen in unserem Gebäude in Dortmund, das uns ja gehört.
Frage: Was waren die größten Herausforderungen in Ihrer Amtszeit?
Antwort: Da würde ich zwei nennen. Die eine ist die, dass ich mich damals habe breitschlagen lassen, neben der arbeitsintensiven Tätigkeit als Präsident auch noch die Arbeit des Präsidenten des Organisationskomitees für die Weltmeisterschaft zu übernehmen. Das war eine riesige, auch arbeitszeitliche Belastung, mit der ich so nicht gerechnet hatte. Der weitere meiste Kraftaufwand, den ich freiwillig auf mich genommen habe, resultiert aus dem Unfall von Joachim Deckarm 1979 in Tatabanya. Als ich unmittelbar nach dem Unfall dieses Unterstützungswerk Joachim-Deckarm-Fonds gegründet habe, in dem ich bis zum heutigen Tage tätig bin und sein werde, so lange ich lebe.
Frage: Worauf in Ihrer Amtszeit sind Sie stolz?
Antwort: Stolz bin ich auf gar nichts. Ich freue mich und bin glücklich darüber, dass ich so eine wunderschöne Zeit im Handball haben konnte.
Frage: Gibt es Dinge aus Ihrer Amtszeit, die Sie heute anders machen würden?
Antwort: Wenn ich jetzt lange nachdenken würde, würde mir da sicher viel einfallen. Wenn ich mal die entscheidende Entwicklung sehe, meine ich eigentlich, keine katastrophalen Fehler festzustellen.
Frage: Warum war es so schwer, einen Nachfolger für das Präsidentenamt zu finden?
Antwort: Ich hätte auch gerne andere Kandidaten benannt. Bernhard Bauer selber ist ja auch der Meinung, dass der beste Kandidat Heiner Brand gewesen wäre. Es wäre einer gewesen, von dem ich gewusst hätte, dass er in der ganzen Welt akzeptiert worden wäre. Mit ihm habe ich auch tatsächlich mal darüber gesprochen. Aber er war von Anfang an der Meinung, dass er nicht der richtige Mann dafür war.
Frage: Warum ist es nicht gelungen, Heiner Brand zu überzeugen?
Antwort: Das weiß ich nicht. Ich habe es jedenfalls nicht geschafft. Ich bin letzten Endes auch der Meinung, dass man seine Meinung dazu respektieren muss. Im Übrigen: Diese Forderung jetzt im Nachhinein ist doch purer Populismus.
Frage: Wie werden Sie Ihrem designierten Nachfolger Bernhard Bauer beim Start ins Amt helfen?
Antwort: Ich werde ihm schon einige Ratschläge in meinem Bericht, der ja am Anfang des Bundestages steht, geben. Und dieser Ratschlag wird sein, das zu versuchen oder vielleicht auch zu erreichen, was nicht immer möglich war in der Vergangenheit: Nämlich die Problematik zwischen den drei Interessengruppen des Handballs - Präsidium, Bundesliga und Landesverbände - in eine richtige Balance zu bringen. Die Landesverbände verfügen nach wie vor und auch nach der geringfügig zu ändernden Satzung über ein Stimmenverhältnis, das für Satzungsänderungen unumgänglich ist. Und diese Landesverbände haben nicht immer die gleichen Interessen wie das Präsidium im Interesse seiner Nationalmannschaften oder die Bundesliga im Interesse ihrer Vereine.
Frage: Das heißt, Sie empfehlen dem neuen Präsidium, nicht so sehr international in Erscheinung zu treten, sondern nur national?
Antwort: Das eine tun und das andere nicht lassen. Sie müssen jetzt die Weltmeisterschaft 2017 der Frauen schultern. Das muss man auch noch im Hinterkopf haben, wenn man über die Bewerbung für die WM 2019 nachdenkt. Viele haben ja überhaupt nicht dabei bedacht, dass die Weltmeisterschaft 2017 im Dezember ist und die Weltmeisterschaft 2019 im Januar. Vielleicht ist das aber auch von Vorteil und man kann Organisationsbestandteile von der Frauen-WM für die Männer-WM übernehmen. Bernhard Bauer und sein Team, das er schon um sich geschart hat, sind da offensichtlich optimistisch, dass sie das schultern.
Frage: Bezüglich der Bewerbung für die Männer-WM 2019 gab es zuletzt Verwirrung. Die schriftliche Absichtserklärung von Bernhard Bauer und seinem designierten Stellvertreter Bob Hanning an den Weltverband IHF sollte zurückgezogen werden, weil das amtierende Präsidium übergangen wurde. Wie ist der Stand?
Antwort: Es liegt dieser 'Letter of Intent' vor. Dessen Inhalt ist auch nicht zurückgezogen worden. Es ist erreicht worden, dass die IHF die Frist zur Vorlage von Bewerbungsunterlagen bis Oktober verlängert hat. Und das heißt, das neu gewählte Präsidium kann jetzt in Erfüllung dieses 'Letters of Intent' Bewerbungsunterlagen vorlegen. Diesen Weg muss das neue Präsidium natürlich weitergehen. Denn diesen Schritt hat es getan, bevor es dazu befugt war. Und in einer Art und Weise, die nicht in Ordnung war. Es kann nicht jemand, der überhaupt noch nicht gewählt ist und keine Kompetenz international hat, einen Angestellten des DHB veranlassen, einen 'Letter of Intent' zu schreiben und dabei das gesamte Präsidium umgehen.
Frage: Bernhard Bauer möchte einen Beirat als Berater für das Präsidium ins Leben rufen. Hat der deutsche Handball zu lange nur auf sich geschaut?
Antwort: Dazu möchte ich mich nicht äußern. Ich bin kein Freund von Beiräten und Kommissionen. Ich meine, die Personen, die die deutsche Handball-Welt auf dem Bundestag als ihre Repräsentanten und ihre Bevollmächtigten in die Entscheidungsgremien entsendet, nämlich das Präsidium, dass die die geeigneten sind. Natürlich kann man für spezielle Einzelprobleme von außen kommende Kompetenz einholen.
Frage: Ist der DHB als weltgrößter nationaler Handball-Verband sportpolitisch international ausreichend repräsentiert?
Antwort: Da zählen wir keine Posten ab. Entscheidend ist nicht die abgezählte Anzahl an Repräsentanten, sondern die Möglichkeit der Einflussnahme in diesen Gremien. Und ich meine, dass wir da nicht schlecht vertreten sind, sowohl bei der EHF als auch bei der IHF.
Frage: Die letztendlichen Entscheidungen werden aber in den Präsidien getroffen. Warum ist dort weder beim Weltverband IHF noch im Europa-Verband EHF ein deutscher Vertreter?
Antwort: Ich habe noch niemanden gehört, der kandidiert hat. Ich will das nicht. Ich bin Präsident des DHB 15 Jahre gewesen und habe damit genug zu tun gehabt. Ich wüsste nicht, wer sonst hätte kandidieren sollen.
Frage: Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Antwort: Ich werde das Ergebnis des Bundestages und die Entscheidungen abwarten und danach mit meiner Frau überlegen, wo wir unseren schon seit Jahren aufgeschobenen Urlaub verbringen. Ansonsten bleibe ich dem Handball mit Sympathie, mit Rat und Tat, wenn man sie wünscht, zur Verfügung. Aber ein öffentliches Amt mit diesem Arbeitsumfang und mit diesem Verantwortungsbereich werde ich nicht mehr übernehmen. Dazu fühle ich mich als fast 70-Jähriger berechtigt.