Überlastete Handballer: Machen Sommer-Kämpfe mehr Sinn?

Breslau (dpa) - Sechs EM-Spiele in elf Tagen - die ohnehin ersatzgeschwächten deutschen Handballer sind bei der Europameisterschaft in Polen schon vor dem abschließenden Hauptrundenspiel gegen Dänemark an ihre Belastungsgrenze gekommen.

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Nach dem EM-Aus für die beiden Leistungsträger Steffen Weinhold und Christian Dissinger warnen die Sportärzte vor Überbelastungen, Trainer sprechen sich für eine Verkleinerung der Bundesliga und für mehr Wechselmöglichkeiten auf der Bank aus. Über allem steht die Grundsatzfrage: Wäre eine EM oder WM im Sommer besser?

Würden Titelkämpfe im Sommer nach der Saison - wie im Fußball - mehr Sinn machen, da die abstellenden Vereine ihre Spieler nicht selten lädiert oder überlastet zurückbekommen?

Bis 1999 fanden EM und WM nach Meisterschaftsende statt. Gegen die Interessen der Vereine haben die internationalen Verbände die Titelkämpfe in den Winter verlegt. Grund: wenig Fußball, volle Hallen, bessere Vermarktungschancen bei Werbung und TV. Langfristig ist der Kalender dicht: Im November 2015 in Sotschi hatte der Weltverband die Männer-WM 2021 nach Ägypten sowie 2023 gemeinsam an Polen und Schweden vergeben. Eine Veränderung bis mindestens 2024 ist unmöglich. DHB-Vizepräsident Bob Hanning kann sich aber mit einer Rückkehr in den Sommer anfreunden: „Das kann eine Diskussionsgrundlage sein.“ Da die EM dann mit Olympischen Spielen kollidieren würde, schlägt er einen Drei-Jahres-Rhythmus vor.

Warum haben die Teams alle zwei Tage ein Spiel, manchmal wie jetzt Deutschlands Gegner Dänemark nicht einmal einen Tag Pause?

Seit 2002 ist der EM-Modus unverändert. Unterschied: Vor 14 Jahren musste Europameister Schweden acht Spiele in zehn Tagen absolvieren. 2016 steht der Titelträger nach acht Spielen in 17 Tagen fest. Je nach Vorrundenplatzierung hatte jedes Team in der Hauptrunde zwei Tage nacheinander frei. Die Dänen haben den Spielplan kritisiert, weil sie das zweite und dritte Spiel in der Hauptrunde innerhalb von 20 Stunden bestreiten. Dafür hatten sie vor dem Hauptrundenauftakt länger Pause. Sollten die Dänen ins Halbfinale kommen, hätten sie die letzten vier Spiele innerhalb von sechs Tagen. Im Gegensatz dazu: Die deutschen Fußballer werden im Sommer in der EM-Vorrunde vier oder fünf Tage Pause haben.

Gibt es Bestrebungen, die Belastungen und damit das Verletzungsrisiko für Handballer zu reduzieren?

Forderungen nach Reduzierung der Clubs in der Bundesliga oder den Einsatz von 16 statt 14 Spielern pro Spiel kommen immer wieder vor allem von den Top-Clubs auf. Diese sind in der Tat durch Liga, Pokal und Champions League enorm belastet. Gegen die Mehrheit der Liga-Vereine sind die Forderungen aber nicht durchsetzbar. Hoffnung setzen die Spitzenvereine auf eine mögliche „Premier Handball League“ (PHL), die durch eine Investorengruppe gefördert werden soll und ab 2019 die Champions League ersetzen könnte. Diese könnte zum Druckmittel auf den Europaverband EHF in Bezug auf eine Reduzierung der Champions-League-Spiele werden.

Sportmediziner und Teamärzte warnen vor der Überbelastung, doch wie kann man das Verletzungsrisiko minimieren?

Deutschlands Teamarzt Kurt Steuer schlägt Alarm. „Die Spieler, die Bundesliga, Champions League und Nationalmannschaft spielen und in diesem Jahr zusätzlich mit EM, Olympia-Qualifikation, WM-Quali und vielleicht Olympia mehrere große Aufgaben zu bewältigen haben, sind überspielt, massiv überlastet“, sagte er den „Kieler Nachrichten“. Steuer lobt ausdrücklich die Methodik von Bundestrainer Dagur Sigurdsson bei der Regeneration. „Dagur verlangt, dass seine Spieler pro Tag - sei es beim Training oder im Spiel - zwei Stunden lang 100 Prozent Leistung bringen. 22 Stunden bekommen sie jedoch Zeit, sich zu erholen, ein Meilenstein.“