„Handball-Kaiser“ Vielbeschäftigter Pensionär: Heiner Brand wird 65
Gummersbach (dpa) - Auf eine große Gratulantenschar, ausufernde Lobesreden und grelles Rampenlicht kann Heiner Brand gut verzichten. Seinen 65. Geburtstag am Mittwoch geht der Handball-Weltmeister und langjährige Bundestrainer aus Gummersbach lieber ruhig an.
„Es ist nichts Großes geplant. Wir werden im Kreis der Familie und vielleicht ein paar guten Freunden anstoßen“, sagte Brand. Der eher private Rahmen für seinen Ehrentag passt ins Bild. Sechs Jahre nach seinem Rückzug als Bundestrainer fällt es dem Pensionär nicht schwer, die Öffentlichkeit zu meiden. Der Profi-Handball, lange Zeit ein Fixpunkt seines Lebens, hat für ihn viel an Bedeutung verloren. „Ich habe von dem Zeitpunkt an, als ich aufgehört habe, kein einiges Mal den Wunsch verspürt, wieder auf der Trainerbank zu sitzen.“ Spiele der Nationalmannschaft verfolgt er nur, wenn der Terminkalender es zulässt: „Ich richte meine Planungen nicht mehr danach aus.“
Auch ohne Trainingseinheiten, Kaderauswahl und wochenlange Turniere gibt es für Brand noch viel zu tun. In seinem Job beim TV-Sender Sky als Champions League- und neuerdings auch Bundesliga-Experte bleibt er seinem Sport zumindest teilweise verbunden. Vorträge bei Unternehmen über Teambildung und Führungsstile erfordern weiteren Zeitaufwand. „Darüber hinaus gehe ich in den Fitnessraum und spiele Golf. Da ist man manchmal erstaunt, dass der Tag zu kurz ist“, sagte Brand.
Sein Engagement für den seit einem tragischen Handball-Unfall im Jahr 1979 schwerbehinderten einstigen Gummersbacher Teamkollegen Jo Deckarm lässt er in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur unerwähnt.
Nur selten bleibt Zeit, in Erinnerung zu schwelgen. An Europapokalsiege, Meisterschaften, Pokalsiege mit dem VfL Gummersbach und vor allem an den WM-Triumph 1978 unter der Regie von Trainer Vlado Stenzel. Nicht minder imposant ist die Titelsammlung als Coach: Brand führte sowohl seinen Stammverein aus Gummersbach als auch die SG Wallau-Massenheim zu nationalen Titeln.
In seiner Zeit als Bundestrainer von 1997 bis 2011 wies er der DHB-Auswahl den Weg zurück in die Weltspitze. Nach zweiten Plätzen bei der EM 2002 und der WM 2003 gewann sein Team 2004 die EM und wenig später in Athen die olympische Silbermedaille. Spätestens der WM-Sieg 2007 im eigenen Land machte Brand nach Aussage des einstigen Handball-Profis Stefan Kretschmar zur „Lichtgestalt“ und brachte ihm den inoffiziellen Titel als „Handball-Kaiser“ ein. Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande im Mai 2007 war Ausdruck höchster Wertschätzung.
Wirklich nahe ging Brand aber vor allem der emotionale Triumph im Finale des Wintermärchens 2007 in Köln gegen Polen. Mit angeklebten künstlichen Schnauzbärten huldigten ihn seine Spieler beim Tänzchen auf dem Sieger-Podest. Es waren Bilder von großer Strahlkraft: So viel Aufmerksamkeit gab es in Deutschland zuvor nur beim Fußball.
An manche Momente in seiner Zeit als Bundestrainer denkt Brand jedoch weniger gern zurück. Vor allem an seinen - auf einem vielbeachteten Foto festgehaltenen - Wutanfall nach der knappen WM-Niederlage 2009 gegen Norwegen, als er mit erhobener Faust Richtung Schiedsrichtergespann stürmte. „Wir sind damals betrogen worden, dazu stehe ich bis heute. Aber nachher war mir das peinlich. Ich habe gedacht: Was sollen deine Enkelkinder nur von dir denken?“
Bei allen Verdiensten um den deutschen Handball ist sein Verhältnis zum DHB in den vergangenen Jahren merklich abgekühlt. Seit dem in der Öffentlichkeit ausgetragenen Streit mit seinem ehemaligen Co-Trainer und heutigem DHB-Vizepräsident Bob Hanning herrscht Funkstille. Der Vorwurf, er habe einen Rentenvertrag beim DHB angestrebt, verärgert ihn bis heute. Brand: „Ich hatte dem damaligen Präsidenten Bernhard Bauer lediglich angeboten, ihm zu helfen — ehrenamtlich.“