DHB-Team im WM-Viertelfinale Vorfreude auf Oslo: Handballer brauchen „Tapetenwechsel“
Herning · Schon vor dem abschließenden Hauptrundenspiel gegen Tunesien richten die deutschen Handballer ihren Fokus auf das WM-Viertelfinale. Mit oder ohne Juri Knorr?
Beim geselligen Mannschaftsabend stießen die deutschen Handballer auf den vorzeitigen Einzug ins WM-Viertelfinale an und ließen es sich schmecken. „Ich bin sehr hungrig“, sagte Torhüter Andi Wolff schon vor dem Dinner. Die Aussage des 33-Jährigen, der sich nach seinen 18 Paraden beim 34:27 gegen Italien eine ordentliche Portion verdient hatte, dürfte auch für die Fortsetzung der Medaillenjagd gelten.
In einem gemütlichen Restaurant am Silkeborger See konnte das DHB-Team zumindest etwas abschalten - immer in Gedanken an die kranken und isolierten Juri Knorr und Rune Dahmke, die nur rund 100 Meter entfernt und damit immerhin in Sichtweite in ihren Einzelzimmern schmorten. „Wenn man die ganze Zeit entweder im Hotel rumhängt oder in der Halle, ist eine kleine Veränderung immer von Vorteil“, begründete Bundestrainer Alfred Gislason den kollektiven Ausflug.
Tunesien kein Freundschaftsspiel
Der ungefährdete Erfolg über Italien sorgte bei seinen Schützlingen für Erleichterung. Das Viertelfinale ist vorzeitig erreicht, die Lust auf die K.-o.-Phase riesig. „Es fällt eine Last von den Schultern“, berichtete Julian Köster. Das abschließende Hauptrundenspiel gegen Tunesien an diesem Samstag (20.30 Uhr/ZDF und Sportdeutschland.TV) kann der Olympia-Zweite nun ganz entspannt angehen.
Oder nicht? „Das ist kein Freundschaftsspiel. Es ist ganz wichtig, den Fokus beizubehalten. Wir dürfen nicht von der Emotionalität runterfahren, weil es dann umso schwerer ist, fürs Viertelfinale wieder hochzufahren“, appellierte Rechtsaußen Timo Kastening an seine Teamkollegen.
Drei Tage Pause
Gislason kündigte an, den Vielspielern seines Teams ein bisschen mehr Pause zu gönnen. „Es ist aber keine Trainingseinheit. Jeder, der morgen eine gute Leistung zeigt, wird bessere Chancen haben, mehr zu spielen“, sagte der 65-Jährige.
Nach dem Tunesien-Spiel hat das DHB-Team drei Tage Pause. Am Sonntag geht es aus dem abgeschiedenen Silkeborg ins lebendige Oslo. „Ein kleiner Tapetenwechsel tut einem schon gut“, sagte Lukas Mertens und lachte. Viel mehr Abwechslung als die täglichen Spaziergänge ins Stammcafé war für die DHB-Profis in dem beschaulichen Städtchen nicht möglich.
DHB-Team muss sich steigern
Vielleicht setzt der Standortwechsel im DHB-Team neue Kräfte frei. Denn fünf Monate nach dem Silber-Coup bei Olympia ist die Riege weit entfernt von ihrer Medaillenform. Gegen Italien verteidigte die Abwehr zwar kompakter und aggressiver, dafür ärgerte sich Gislason diesmal über die Chancenverwertung. Bislang schafft es das DHB-Team nicht, in einem Spiel sowohl in der Defensive als auch im Angriff eine gute Leistung zu zeigen.
Bis Mittwoch hat Deutschland nun Zeit, um sich endlich in WM-Form zu bringen. Denn dann heißen die Gegner nicht mehr Tunesien oder Italien, sondern Spanien, Portugal oder Schweden. „Ich hoffe, dass im Viertelfinale einiges abfällt und die Leichtigkeit zurückkommt“, sagte Sportvorstand Ingo Meckes.
Nach den bisherigen Turnierleistungen geht die DHB-Truppe nicht als Favorit in die K.-o.-Partie. „Natürlich wäre es schöner, wenn man mit perfektem Handball und vielen deutlichen Siegen das Viertelfinale erreicht. Aber mir ist es lieber, mit viel harter Arbeit dorthin zu kommen, als irgendwann mit zu viel Leichtigkeit auf die Schnauze zu fallen“, befand Kapitän Johannes Golla.
Gislason glaubt bei Knorr nicht an schnelle Genesung
Gegen die Schweiz und Italien rettete Torhüter Wolff sein Team. Gegen Tschechien überragte Keeper-Kollege David Späth. Auch Spielmacher Juri Knorr konnte größtenteils überzeugen - bis ihn genau wie Dahmke ein Infekt stoppte.
Gislason klang nicht gerade optimistisch, dass Knorr schnell wieder im Vollbesitz seiner Kräfte ist. „Ich gehe fest davon aus, dass keiner von beiden gegen Tunesien spielen wird. Danach gibt es bessere Chancen, dass Rune wieder zurückkommt als Juri“, sagte der Isländer.
Ob mit oder ohne Knorr - Deutschland muss seine Leichtigkeit und vor allem den Glauben an die eigene Stärke wiederfinden. „Wir müssen manchmal an uns selbst appellieren und auch ansprechen, dass wir eine gute Handball-Mannschaft sind. Wir können alle sehr gut Handball spielen. Das darf man bei aller Selbstkritik nicht vergessen“, befand Golla.
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