Historische Mehrkampf-Pleite für deutsche Turner
Montpellier (dpa) - An einem bitteren Abend für die deutschen Turner hat der Ukrainer Oleg Wernjajew souverän seinen ersten Europameistertitel im Mehrkampf gewonnen. Die Deutschen waren in Montpellier nur Zuschauer.
Erstmals in der 60-jährigen EM-Geschichte hatte sich kein Mehrkämpfer für die Top 24 qualifiziert. Für einen Hoffnungsschimmer hatte zuvor eine 15-jährige EM-Debütantin aus Karlsruhe gesorgt. Trotz eines Fehlers am Stufenbarren strahlte Pauline Tratz glücklich über Platz 18. Obwohl ihr die Wiederholung ihrer stabilen Vorkampfleistung mit 51,466 Punkten nicht ganz gelang, wertete sie die Titelkämpfe als vollen Erfolg.
„Es ist meine erste EM, mein erstes Finale - ich bin total zufrieden“, meinte die Zehntklässlerin vom Otto-Hahn-Gymnasium Karlsruhe, die im schwarzen Turndress mit goldenen Schmuckelementen antrat. Perfekt hatte sie am Freitag ihre ersten drei Auftritte präsentiert und keinerlei Nervosität erkennen lassen. Am Barren misslang ihr die letzte Drehung vor dem Abgang, auch fehlten ihren Übungen noch die Höchstschwierigkeiten.
Riesen-Jubel herrschte unterdessen im Schweizer Lager nach dem ersten Mehrkampf-Gold der EM-Geschichte durch Giulia Steingruber. Die 21-Jährige aus Gossau durchbrach mit vier perfekten Übungen und 57,873 Punkten die Siegesserie der Russinnen, die seit 2009 dominiert hatten. In den zurückliegenden zwei Jahren hatte Steingruber jeweils die EM-Titel beim Sprung gewonnen und auch am Boden ihr Topniveau angedeutet.
„Für Pauline war es ein ganz großes Erlebnis, erstmals gegen diese Stars anzutreten und sogar in einer Gruppe mit der Europameisterin zu turnen. Die Atmosphäre war fantastisch, für sie war es eine tolle Woche. Ich bin sehr stolz auf sie“, lobte Heimtrainerin Tatjana Bachmayer. Den Fehler zum Ende, der ihren Schützling eine um zwei oder drei Ränge bessere Platzierung kostete, konnte auch sie verschmerzen. „Sie hat hier alle Erwartungen erfüllt.“
Die Konkurrenz der Turner beherrschte Top-Favorit Wernjajew überlegen. Mit 89,582 Punkten war der Weltcupsieger, der in der Bundesliga für die TG Saar turnt, trotz kleinerer Wackler am Boden und am Reck von niemandem zu gefährden. Er setzte sich vor dem Titelverteidiger David Beljawski (Russland/88,131) und dem Briten Daniel Purvis (87,423) durch. Demonstrativ ließen sich Wernjajew und Beljawski mit den Fahnen ihrer Länder gemeinsam fotografieren.
In Abwesenheit der besten deutschen Mehrkämpfer Fabian Hambüchen und Andreas Toba, konnte Sebastian Krimmer die Hoffnungen nicht erfüllen. Der Stuttgarter hatte tags zuvor nach vielen Fehlern auf Platz 26 das Finale verpasst.
In den Gerätefinals am Wochenende liegen die deutschen Hoffnungen auf Pauline Schäfer und Matthias Fahrig. Die Turnerin vom Stützpunkt Chemnitz hatte sich als Dritte in den Medaillenkampf am Schwebebalken vorgekämpft und damit eine 25 Jahre anhaltende Negativserie deutscher Turnerinnen ohne Finale beendet. Fahrig wird beim Sprung kaum eine Medaillenchance eingeräumt.