Chicago Marathon wird zur Hochsicherheitszone
Chicago (dpa) - Die Absperrgitter stehen, die Straßen sind weiträumig abgeriegelt, Polizei und FBI in Alarmbereitschaft: Willkommen in der Hochsicherheitszone Chicago.
Wenn am Sonntag rund 45 000 Läufer vor den Augen von mehr als einer Million Menschen den 36. Chicago-Marathon bestreiten, steht diesmal keine Siegerzeit im Vordergrund, sondern einzig und allein die Sicherheit. „Safety first“ heißt es in der Millionen-Metropole. Der seit 1977 gelaufene Langstreckenklassiker ist der erste Marathon dieser Größenordnung in den USA seit den Bombenanschlägen vor einem halben Jahr in Boston und wird als das am meisten überwachte Rennen in die Geschichtsbücher der Stadt eingehen.
„Die Gefahr besteht, dass es Nachahmer gibt. Leute, die denken, wenn andere das können, können sie es auch“, sagt Milt Ahlerich. Er ist Sicherheitsbeauftragter und hat Erfahrung mit Großereignissen. In seiner Karriere als FBI-Agent war Ahlerich bei 15 Super Bowls im Einsatz. Chicagos Renndirektor Carey Pinkowski war am 15. April in Boston, als im Zielbereich innerhalb weniger Sekunden zwei Sprengkörper detonierten. Drei Menschen starben, rund 260 wurden teilweise schwer verletzt. Pinkowski war genauso geschockt, wie Millionen Landsleute. Doch er hat bereits kurze Zeit später den typisch amerikanischen Spirit erlebt. „Nach unserer Rückkehr traten Menschen an uns heran und meinten, wir kommen nach Chicago. Dies wird uns nicht abschrecken“, sagt Pinkowski.
Trotz der Stehauf-Mentalität weiß er: diesmal wird alles anders sein. In den Vorjahren war der Chicago Marathon ein riesiges Volksfest. Bei der 36. Auflage hingegen läuft - ob bewusst oder unbewusst - die Angst mit. FBI, Verfassungsschutz, US-Geheimdienst, Katastrophenschutz, Chicagoer Polizei - mehr als 1000 Beamte sind im Einsatz. Unmittelbar nach den Vorfällen in Boston hat der amerikanische Verfassungsschutz den Marathon zum „Stufe 2“-Event angehoben. Somit ist die Veranstaltung von den Sicherheitsauflagen her fast so hochrangig wie beispielsweise der Super Bowl. Das wiederum bedeutet, dass mehr Bundesbeamte samt ihrer Spezialtechnik vor Ort sein werden.
Obwohl es bislang keine Hinweise auf mögliche Anschläge gegeben hat, sind entlang der Strecke Sprengstoffexperten sowie Bombenspürhunde im Einsatz. Zudem arbeiten zahlreiche verdeckte Ermittler. Chicago hat mit 22000 Überwachungskameras die meisten der USA - viele von ihnen werden am Sonntag von geschulten Beamtenaugen genau beobachtet. Man werde jeden Teil der Strecke im Blick haben, betont Chicagos Polizeipräsident Garry McCarthy.
„Nach dem 11. September ist die Sicherheit bereits verschärft worden. Durch die Vorfälle in Boston werden wir alles noch weiter abriegeln“, erklärt Sicherheitsberater Neil Sullivan. Die Auflagen sind streng, Ausnahmen gibt es nicht. In den Start- und Zielbereich kommen nur registrierte Läuferinnen und Läufer. Rücksäcke oder größere Taschen werden hier ebenso wenig geduldet wie entlang der Strecke.
Für persönliche Gegenstände bekommen die Teilnehmer vom Veranstalter durchsichtige Plastikbeutel. Zudem müssen alle, auch die Stars wie Titelverteidigerin Atsede Baysa (Äthiopien), der kenianische 2011-Sieger Moses Mosop oder dessen Landsmann und diesjährige Gewinner des Tokio-Marathons, Dennis Kimetto, ihre Startnummern persönlich abholen. Und entgegen der Vorjahre dürfen Freunde, Bekannte oder Verwandte nicht einen Teil der Strecke neben ihren Lieben herlaufen, um sie zu unterstützen. Bei Zuwiderhandlung droht Verhaftung.
Bereits seit Montag wurden Straßen weiträumig gesperrt und mit Sicherheitszäunen versehen. Polizisten gehörten in den vergangenen Tagen mehr denn je zum Straßenbild. „Das Wichtigste, um bei einem derartigen Event die Sicherheit zu garantieren“, sagt Sullivan „sind die Teilnehmer und Zuschauer selbst. Wenn du eine Million Menschen hast, hast du auch eine Million Augenpaare.“
Wie viel Geld die zusätzliche Maßnahmen kosten, bleibt ebenso ein Geheimnis, wie die genauen Einsatzpläne von Polizei und Security Service. Doch in Chicago wissen alle, dass für die Sicherheit kein Preis zu hoch ist. „Wir haben unsere Lektionen von Boston gelernt“, so McCarthy.