Dauerduell: Wie oft rennt Bolt noch gegen Gatlin?
Peking (dpa) - Am späten Abend in Peking, lange nach seiner zweiten Niederlage gegen Usain Bolt, hatte Justin Gatlin noch eine verrückte Idee. „Man könnte uns auf dem Strip von Las Vegas eine Bahn ausrollen.
Dann laufen wir da noch einmal gegeneinander“, sagte er.
Bolt selbst saß in diesem Moment neben seinem großen Rivalen. Und wie so häufig, wenn Gatlin etwas sagt, musste der alte und neue Weltmeister über 100 und 200 Meter, dabei lachen. Zweimal hat der lange verletzte Jamaikaner den hoch umstrittenen Amerikaner nun besiegt bei dieser Leichtathletik-WM. Eigentlich braucht es keine weiteren Rennen mehr, um zu klären, wie der schnellste Mann der Welt heißt. Doch auch Bolt richtete seinen Blick schon wieder nach vorn. Der Superstar mit seinen nunmehr zehn WM-Titeln und sechs olympischen Goldmedaillen ist noch nicht satt.
An diesem Samstag steht in Peking das Staffel-Finale über 4 x 100 Meter auf dem Programm. „Es ist immer etwas Besonderes, wenn Jamaika und die USA gegeneinander laufen. Und ich hoffe, dass Justin Gatlin dann noch schwere Beine hat“, meinte Bolt. Unmittelbar nach seinem 200-Meter-Sieg hatte er seine Teilnahme an der Staffel noch kurz in Zweifel gezogen aufgrund all der Anstrengungen zuletzt. Doch diese Chance auf seinen elften WM-Titel wird er sich nicht entgehen lassen. Dazu ist allein die Rivalität mit den Amerikanern zu groß.
Im kommenden Jahr folgen die Olympischen Spiele in Rio. Und die einzige offene Frage für Bolt ist, wie es danach mit ihm weitergeht. „Ich würde wirklich gern auch noch bei der WM 2017 in London laufen, aber dieser Sport wird immer anstrengender“, meinte er in Anspielung auf seine Verletzungsprobleme in den vergangenen anderthalb Jahren.
„Ich habe es schon einmal gesagt: Meine Sponsoren wollen gern, dass ich nach Rio noch ein Jahr weitermache. Aber mein Coach hat mir gesagt: Wenn du dir nicht sicher bist, nach London fahren zu wollen, dann tu' das auch nicht.“ Dann wäre eine der erfolgreichsten Karrieren der Sportgeschichte schon in einem Jahr vorbei. „Alles hängt davon ab, wie ich mich nach Rio fühle“, sagte der 29-Jährige.
Wie er sich gerade in Peking fühlt, konnte jeder nach seinem 200-Meter-Sieg sehen. Nicht einmal der Unfall mit einem Kameramann konnte das Dauergrinsen aus Bolts Gesicht vertreiben. „Es gab viele Leute, die Zweifel an mir hatten und sagten: Ich werde bei dieser WM verlieren. Aber ich bin immer noch die Nummer eins“, tönte er.
Bolt gegen Gatlin - das ist das große Duell dieser WM. Sportlich ist es eindeutig entschieden. Aber auch abseits der Laufbahn lässt es sich mittlerweile in drei Abschnitte gliedern. Am Anfang war da noch die große Spannung, weil Gatlin als Seriensieger und Bolt nur als Dauerpatient nach Peking geflogen waren. Dann kam sehr schnell die moralische Überhöhung hinzu, bei der Bolt als saubere Ikone und der gleich zweimal wegen Dopings gesperrte Gatlin als das Böse schlechthin in dieser schwer belasteten Sportart dargestellt wurden.
Nach dem 200-Meter-Finale aber zeigten beide, dass sie trotz allem noch immer einen großen Respekt voreinander haben. „Ich habe keine Probleme mit Justin Gatlin“, sagte Bolt. Und fügte im Scherz hinzu: „Er redet viel, das weiß ich jetzt schon seit Jahren. Vor jeder großen Meisterschaft sagt er eine Menge dummes Zeug. Danach tut er dann immer so, als wäre er dein bester Freund. Aber wenn er gerade mal nicht so viel redet, ist er ein cooler Typ.“
Der Amerikaner selbst wirkte auch nach der zweiten Niederlage gegen Bolt mit sich im Reinen. „Bei dieser WM herrschte eine knisternde Spannung“, sagte Gatlin. „Und ich kann von mir sagen, dass ich dazu beigetragen habe. Ich habe den großen Mann neben mir in diesem Jahr zum Laufen gebracht. Mein Ziel ist, im nächsten Jahr zurückzukommen und das Gleiche noch einmal zu tun.“