Leichtathletik-WM Zehntes WM-Gold: Bolt schlägt Gatlin auch über 200 Meter
Peking (dpa) - Usain Bolts eindeutiger Sieg bei der Leichtathletik-WM in Peking über 200 Meter in der Weltjahresbestzeit von 19,55 Sekunden brachte dem 29-Jährigen bereits den zehnten WM-Titel in seiner beispiellosen Karriere ein.
Vier Tage zuvor hatte er im „Vogelnest“ bereits das 100-Meter-Rennen gewonnen. „Es ist alles halb so wild, er ist mir in die Wade gefahren“, kommentierte Bolt später die Panne nach dem Rennen. „Für die Staffel ist das kein Problem.“
Wie man Usain Bolt stoppen kann, machte am Ende nur ein Kameramann vor. Der Superstar aus Jamaika hatte gerade auch das zweite Duell mit seinem großen Rivalen Justin Gatlin gewonnen, er befand sich auf seiner Ehrenrunde, als der Mann mit der Kamera hinter ihm auf einem Segway angefahren kam und den Titelverteidiger, Weltrekordhalter und Olympiasieger einfach umfuhr. Bolt fiel kurz zu Boden, rappelte sich wieder auf und lachte einfach weiter.
Zuvor auf seiner Lieblingsstrecke zeigte sich der Favorit unantastbar. „Gut gemacht, Usain!“, lobte sich der schnellste Mann der Welt diesmal selbst. „Ich bin einfach nur glücklich. Ich hatte auch nie Zweifel an mir. Wenn es um die 200 Meter geht, bin ich ein anderer Mensch.“
Und was sagte er zu dem Vorfall mit dem Kameramann? „Es gehen hier schon die ersten Gerüchte um, dass Justin Gatlin den bezahlt hat“, meinte Bolt im Scherz. Sein Herausforderer aus den USA nahm diese Vorlage gern auf und entgegnete: „Ich will mein Geld zurück. Der hat da etwas falsch verstanden. Er sollte das vor dem Rennen machen. Nicht danach.“
Auch Gatlin hatte nach dem Finale erstaunlich gute Laune. Denn er wusste: In 19,74 Sekunden lief auch er als Zweiter eine starke Zeit. Anders als am Sonntag über 100 Meter war der Amerikaner diesmal aber chancenlos. Spannend war lediglich die Frage, wer Bronze gewinnt - der Südafrikaner Anaso Jobodwana schob sich am Ende mit dem nationalen Rekord von 19,87 Sekunden noch knapp vor den zeitgleichen Alonso Edward aus Panama. Gatlin aber sah Bolt diesmal schon kurz vor der Ziellinie jubeln - und akzeptierte seine Rolle als Verlierer erneut sportlich fair.
Der frühere Doping-Sünder, der bei dieser WM so sehr in die Rolle des Buhmanns hineingewachsen ist, schnappte sich eine amerikanische Fahne, lächelte zufrieden - und begleitete Bolt einfach auf Teilen seiner Ehrenrunde. „Ich war der älteste Mann in diesem Finale und ich laufe immer noch. Ich laufe sogar noch ziemlich schnell“, sagte er. „Es fühlt sich immer noch gut an, gegen diesen Mann hier anzutreten.“
Tatsächlich aber scheint ein bemerkenswertes und nach wie vor hochumstrittenes Comeback nach seiner vierjährigen Dopingsperre mit dieser WM ausgereizt zu sein. Der Amerikaner hatte im Vorfeld fast zwei Jahre lang kein Rennen verloren. Mehr als WM-Silber wie schon 2013 und 2015 über 100 Meter scheint für Gatlin bei Großereignissen gegen einen halbwegs fitten Bolt nicht möglich zu sein.
Seit 2007 hat der Jamaikaner auf der halben Stadionrunde nicht mehr verloren. Die 19,55 Sekunden von Peking waren auch seine schnellste Zeit über diese Distanz seit den Olympischen Spielen 2012 in London.
Kurz vor seiner Karambolage mit dem Kameramann landete Bolt auf seiner Ehrenrunde wieder genau da, wo er schon nach dem 100-Meter-Finale für die Fotografen posiert hatte: Vor einem Plakat mit der Aufschrift „Usain Bolt. Nr 1“. Die Nummer eins und die einzige globale Ikone seines Sports ist der 29-Jährige nun schon seit den Olympischen Spielen in genau diesem Stadion im Jahr 2008. Bei seiner Rückkehr nach Peking sieben Jahre später steckte Bolt sogar seine monatelangen Verletzungsprobleme und seine fehlende Wettkampfpraxis weg.
„Ich war heute nicht so sehr auf die Zeit fokussiert, denn ich wusste, dass ich nicht in der Form für einen Weltrekord bin“, meinte er. „Für mich zählte allein der Sieg - und der ist ein großes Geschenk für mich und mein Land.“ Am Samstag soll mit der 4 x 100-Meter-Staffel Jamaikas noch der elfte WM-Titel für Bolt herausspringen. Allerdings ließ der Superstar zunächst offen, ob er sich dazu noch in der Lage fühlt. „Ich weiß noch nicht, in welcher Formation wir starten werden. Das entscheiden wir am Freitag.“