Der Besuch der alten Dame - Kleinert: Alles möglich
Istanbul (dpa) - Beim Besuch am Bosporus will Nadine Kleinert nicht baden gehen. Die 36-Jährige möchte es noch einmal richtig krachen lassen. Edelmetall als Souvenir aus Istanbul? Für die Kugelstoßerin aus Magdeburg ist das kein ferner Traum.
Sie kämpft auch bei den Hallen-Weltmeisterschaften der Leichtathleten (9. bis 11. März) um eine Medaille. „Für mich läuft es gerade bombastisch, ich sitze wie auf glühenden Kohlen! Alle acht Finalistinnen haben die Chance auf eine Medaille - ich auch. Und außerdem ist mein Motto: Alter schützt vor Leistung nicht“, sagte Kleinert im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
Inzwischen kokettiert sie mit ihrem Alter und nimmt es gelassen, wenn man sie Kugelstoß-„Oma“ nennt. In der WM-Vorschau des Weltverbandes IAAF ist die routinierte Leichtathletin der „German veteran“. Na und? Kleinert will es ihren Kritikern noch einmal beweisen, die sie schon abgeschrieben haben. Zu früh. „Die alte Dame hat wieder zugeschlagen“, sagte die Olympia-Zweite von 2004 jüngst nach ihrem siebten deutschen Hallen-Titel in Karlsruhe. „Nach meinem Sieg und den 19,13 Metern hat sich kein Kritiker mehr gemeldet.“
Kleinert schmunzelt. Sie lacht. „Wer als Oma noch so gut ist, der hat's eben drauf“, meint die Kugelstoßerin, die dem SC Magdeburg seit 1988 die Treue hält. Die Liste ihrer Erfolge ist lang, bis auf eine einzige Ausnahme (Hallen-EM 1995) stand sie bei internationalen Meisterschaften immer im Finale. „1997 bei der WM in Athen war ich mit 22 eine der Jüngsten, sieben Jahre später bei Olympia in Athen zählte ich für den DLV ja schon zu den Alten. Da sieht man, wie schnell die Zeit vergeht“, sagt sie.
Dass sie in Istanbul mit 36 die Älteste im 17-köpfigen deutschen WM-Team ist, hat für Kleinert keine Bedeutung. Sie will ihre letzte Saison genießen, London lockt und könnte der Höhepunkt werden. Denn die Olympischen Spiele im Sommer sollen ihr 50. und letzter Einsatz für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) werden - danach ist hundertprozentig Schluss. Die Hallen-WM sind die Nummer 47, dann folgen der Winterwurf-Europacup im serbischen Bar (17./18. März) und die Freiluft-EM in Helsinki (27. Juni bis 1. Juli).
Für die ersehnte Medaille muss Team-Kapitänin Nadine Kleinert am Samstag in der Ataköy Athletics Arena wohl ihre sechs Jahre alte Hallen-Bestleistung (19,64 Meter) angreifen. Warum auch nicht? „Ich bin frei im Kopf und habe nichts zu verlieren“, erklärt sie. „Alles, was jetzt noch kommt, ist Zugabe. Ich nehme alles mit.“
„Das ist das Jahr der Alten“, meint Kleinert lachend, sie spielt auf sich selbst an, aber auch auf den „zweiten Frühling“ von Stabhochspringer Björn Otto (34) und Dauerläufer Arne Gabius (bald 31). Doch die Wahrnehmung täuscht, denn die DLV-Nationalmannschaft wird immer jünger. Das Durchschnittsalter des aktuellen WM-Teams liegt bei 25,4 Jahren. Jugendstil ist im Trend.
„Die Oldies überraschen, aber die Jungen bringen ganz frischen Wind ins Team - so wie Hürdensprinter Gregor Traber“, sagt DLV-Cheftrainer Herbert Czingon. Der Tübinger Traber ist Abiturient und mit 19 Jahren der Benjamin im WM-Team. Nur zwei Jahre älter ist Kugelstoß-Weltmeister David Storl. Der Chemnitzer zählt neben den Stabhochspringern Otto und Malte Mohr zu den größten Medaillenhoffnungen. Doch die Zeit der Traber und Co. kommt noch.