Leichtathletik: Liu Xiang vor Olympia-Comeback in London
Chinas Nationalheld trainiert in Düsseldorf. Das Drama von Peking ist vergessen.
Düsseldorf. Ihn laufen zu sehen, ist pure Freude. Fünfmal trommelt er die 100 Meter nacheinander herunter, bewundernde Kinderaugen verfolgen Liu Xiang in Düsseldorf. „Liu möchte vor den Hallen-Weltmeisterschaften eigentlich keine Interviews geben“, sagt seine Pressesprecherin freundlich, aber bestimmt. Obwohl Liu eigentlich gerne Interviews gibt. „Nach dem Training.“ Sagt er dann. Trainer Sun Haiping und seine Assistenten registrieren jede Aktion des Superstars.
Nach dem Olympia-Drama von Peking 2008 musste er ein Jahr pausieren. Dann kam er zurück. Bei den Weltmeisterschaften in Daegu 2011 holte er Silber, nachdem der Kubaner Dayron Robles disqualifiziert worden war. Nun also Düsseldorf. Training für Istanbul. An die Tränen von Peking denkt er nicht mehr. „Das hat mich lange genug beschäftigt. Aber ich bin ein Mensch, der in die Zukunft schaut. Und nicht zurück. Wichtig ist nur die Zukunft“, sagt Liu Xiang. „In Istanbul geht es erst einmal nicht um die Zeit, sondern um den Wettkampf. Und darum, ins Finale zu kommen.“
Liu Xiang lächelt, wenn er spricht. Der rechte Fuß liegt im Eiswasser. Die Achillessehne meldet sich immer wieder. „Vorsorglich nehme ich immer Eis, aber akute Probleme habe ich mit der Sehne nicht“, sagt Liu Xiang. Und man denkt unweigerlich wieder an Peking. Als er nach dem Gold von Athen wieder Olympiasieger werden sollte, aber schon im Vorlauf verletzt aufgeben musste. Liu Xiang stürzte 2008 ein ganzes Volk in die Depression.
In diesem Jahr finden die Olympischen Spiele in London statt. „Es werden voraussichtlich meine letzten Spiele sein.“ Aber nicht das Ende seiner großen Karriere. „Darüber kann ich noch nichts sagen, ich weiß es noch nicht, wie lange ich noch laufen werde“, sagt Liu Xiang. Es soll nochmal Gold werden in London. Die Konkurrenz im Hürdensprint ist gewaltig, aber Liu Xiang hat noch etwas gut zu machen. Aber das sagt er nicht.
„Es geht mir eigentlich nie um Zeiten, es geht mir um den Weg. Es geht um den Wettkampf“, sagt der 28 Jahre alte Superstar der Tartanbahn. „Auch wenn ich meine Karriere irgendwann beende, ich werde immer ein Leichtathlet bleiben.“
Liu Xiang ist ein Jahrhunderttalent. Wer den Chinesen laufen sieht, weiß, wie intensiv das Training gewesen sein muss, das ihn erstmals 2004 auf den Olymp führte. 2006 läuft er in Lausanne 12,88 Sekunden. Weltrekord. Erst zwei Jahre später ist Dayron Robles in 12,87 eine Hundertstel schneller. „Es geht nicht um die Zeit in Istanbul“, sagt Liu Xiang. Wieder und wieder. „Liu möchte noch etwas sagen“, meint die Pressesprecherin noch. Und dann sagt Liu Xiang: „Ich möchte Düsseldorf Dankeschön sagen. Für diese Halle, für diese Trainingsbedingungen. Und für die Kinder.“