Ein Aachener in Paris: Bayer ist kein EM-Tourist
Paris (dpa) - Er war noch niemals in Paris. Und auch am Wochenende kommt Sebastian Bayer nicht als Tourist. Er steigt zwar in einem Hotel im Stadtteil Bercy ab. Aber wird der Weitspringer am Freitag pünktlich zur Arbeit gehen: Um 10.35 Uhr beginnt seine Frühschicht im Palais Omnisports.
Für Bayer, der in Aachen geboren ist, in Mannheim trainiert und für den Hamburger SV startet, wird es dann ernst bei den Hallen-Europameisterschaften. „Wir fahren nicht da hin, um die Stadt anzuschauen. Carolin und ich haben einen Job zu erledigen. Am Sonntag können wir Paris vielleicht genießen“, sagte der deutsche Hallenmeister der Nachrichtenagentur dpa.
Bayer ist nach harten Zeiten wieder auf dem Sprung, am Samstagnachmittag will er das im EM-Finale beweisen. Seine Freundin Carolin Nytra ist eine heiße Medaillenkandidatin für die 60 Meter Hürden, Bayer kann sie nach seiner Qualifikation am Freitagabend beim Finale anfeuern. Das Traumpaar der deutschen Leichtathletik hat glänzende Aussichten. „Das Ziel ist, um die Medaillen zu springen. Und ganz klar die acht Meter“, meinte Bayer.
Acht Meter? Vor genau zwei Jahren kam Bayer wie aus dem Nichts - und segelte bei der Hallen-EM in Turin 8,71 Meter weit. Ein Jahrhundert-Sprung. Für immer sein einziger, frotzelten viele. Eine Fußverletzung warf ihn zurück: In 16 Wettkämpfen seit dem 8. März 2009 ist Bayer nur 4 Mal über die 8-Meter-Marke gesprungen.
„Was ich in Turin erreicht habe, habe ich zum Teil noch in meinem Körper. Aber ich bin Realist. Ich lebe im Hier und Jetzt und schwelge nicht in Erinnerungen“, versicherte der 24-Jährige. „Ich glaube an mich, und ich habe es drauf! Aber das ist ein langer Weg“, gab der einzige Titelverteidiger im deutschen EM-Team zu.
Bei der Heim-WM 2009 in Berlin scheiterte der angeschlagene Bayer schon in der Qualifikation, die EM 2010 verpasste er mit 7,71 Meter bei den deutschen Meisterschaften. Doch er gab nie auf. „Mein Hauptziel ist Olympia in London“, betonte er. In einem Jahr will er auf den Olymp, 2011 sieht er als ideales Aufbaujahr. „Ich springe lieber in diesem Jahr zehn Zentimeter weniger und packe die zehn Zentimeter 2012 drauf“, erklärte er.
Mit 8,02 Meter holte sich Bayer am vergangenen Wochenende in Leipzig den deutschen Hallentitel zurück - und viel Selbstvertrauen. Dennoch sagt er: „Wir sind hier nicht bei 'Wünsch dir was!', sondern bei 'So ist es'“. Hoffen und Träumen ist aber nicht verboten, schon gar nicht in der Stadt der Liebe. Da geht was, spürt wohl auch Carolin Nytra. „Beim letzten Mal bin ich als Europas Beste zur EM nach Barcelona gefahren und Dritte geworden“, sagte die Hürdenflitzerin von der MTG Mannheim. „In Paris ist das jetzt anders - vielleicht ist das ein gutes Zeichen.“