Fünf Medaillen am Schlusstag: EM-Bilanz gerettet
Göteborg (dpa) - Gold für Christina Schwanitz, Silber für Björn Otto und Corinna Harrer, Bronze für Malte Mohr und Christian Reif: Gleich fünf Medaillen in den letzten Stunden der Leichtathletik-EM haben eine lange Zeit dürftige deutsche Bilanz in der Halle von Göteborg doch noch gerettet.
Kugelstoßerin Schwanitz gewann mit 27 Jahren ihren ersten großen Titel, die Stabhochspringer Otto und Mohr mussten sich wieder einmal nur dem französischen Überflieger Renaud Lavillenie geschlagen geben.
Zusammen mit 3000-Meter-Überraschung Harrer und Weitspringer Reif glichen sie am Wochenende im Scandinavium zumindest ein wenig aus, dass sich mehrere Stars in dieser Hallensaison schonen und viele Talente noch weit von internationalem Niveau entfernt sind. „Wenn man gerade den letzten Tag sieht und wenn man sieht, wie viele Athleten ihre persönlichen Ziele erreicht haben, dann können wir ein positives Fazit ziehen“, sagte Cheftrainer Idriss Gonschinska. „Man hat gemerkt, dass wir mit einer sehr jungen Mannschaft hier waren und Leistungsträger wie David Storl nicht einfach zu ersetzen sind.“
Die einzige deutsche Europameisterin Schwanitz zog mit ihrem letzten Versuch über 19,25 Meter noch an der lange Zeit führenden Jewgenia Kolodko aus Russland (19,04) sowie der Weißrussin Alena Kopez (18,85) vorbei. „Ich musste das noch ein bisschen üben mit den Nerven“, sagte die 27-Jährige. „Wer möchte nicht Erster sein? Wofür trainieren wir denn jeden Tag? Das ist ein superschönes Gefühl.“
Auch Otto und Mohr konnten mit ihrer Ausbeute sehr gut leben, da sie gegen einen fast schon auf Sergei-Bubka-Niveau springenden Olympiasieger Lavillenie chancenlos waren. „Wenn man Silber bei einer Hallen-EM holt, dann muss man damit zufrieden sein“, meinte Otto ungeachtet der Tatsache, dass er am Sonntag bereits zum dritten Mal nacheinander bei einer großer Meisterschaft nur Zweiter hinter dem Franzosen wurde. Die beiden Deutschen übersprangen 5,76 Meter, Otto versuchte sich noch erfolglos an 5,86, 5,96 und 6,01 Metern.
Lavillenie meisterte all diese Höhen bereits im ersten Versuch und hatte auch seine persönliche Rekordmarke von 6,07 Metern bereits überflogen, ehe die Jury diesen Versuch unter lautstarken Pfiffen der Zuschauer für gescheitert erklärte. „Er ist auf die Halterung gesprungen. Das steht so im Reglement“, erklärte Mohr. Während der Franzose weinend vor Enttäuschung auf dem Hallenboden lag, meinte sein Rivale Otto nur: „Das ist eine scheiß Regel!“
Im Weitsprung war Titelverteidiger Sebastian Bayer am Samstag in der Qualifikation gescheitert („Ich war einfach zu dämlich, das Brett zu treffen“), sein Rivale Reif holte mit 8,07 Metern Bronze. „Es war packend, spannend und hochklassig“, sagte er. Der Sieger Aleksander Menkow sprang mit 8,31 Metern eine Weltjahresbestleistung.
2011 in Paris und 2009 in Turin war das deutsche Team noch mit jeweils zehn Medaillen im Gepäck nach Hause geflogen. Angesichts der Absagen zahlreicher Stars hatte der Verband eine solche Ausbeute schon von vornherein als unrealistisch bezeichnet. Von einigen Startern durfte er in Göteborg aber trotzdem mehr erwarten.
Schwerer als geplatzte Medaillenträume wie bei Bayer oder dem achten Platz von Verena Sailer über 60 Meter wog dabei der große Rückstand, den viele Athleten auf Europas Spitze offenbarten. Die Zwillinge Diana und Elija Sujew liefen über 1500 Meter selbst in den Vorläufen hinterher. Hochspringer Matthias Haverney übersprang als 22. der Qualifikation nur 2,13 Meter. „Wir gehören immer noch zu den führenden Nationen Europas“, sagte DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen. „Das europäische Niveau liegt höher als noch 2011.“
Von den vielen jungen Athleten, die bei dieser EM primär internationale Erfahrungen sammeln sollten, ragte vor allem die erst 22-jährige Harrer heraus. „Ich bin total überwältigt. Jetzt können auch die deutschen Läufer endlich einmal feiern“, sagte sie nach ihrer Silbermedaille in 9:00,50 Minuten über 3000 Meter. „Genau das ist die von uns erhoffte Entwicklung“, meinte Gonschinska.