Harting attackiert Diskus-Bundestrainer Schult
Rom (dpa) - Im Ring läuft es bei Robert Harting wieder rund, doch hinter den Kulissen brodelt es gewaltig. Der Diskuswurf-Olympiasieger macht Bundestrainer Jürgen Schult heftige Vorwürfe und ist menschlich schwer enttäuscht von seinem früheren Heimcoach.
„Er hat nie an mich geglaubt. Er glaubt nie an seine Athleten. Und auch jetzt ist es mal wieder sehr enttäuschend für mich gelaufen“, beklagte Harting in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.
„Wenn der Herr Bundestrainer nach dem ersten Wettkampf der Saison, in Wiesbaden, sagt: Robert muss unbedingt was anbieten, dann weiß ich auch nicht mehr“, meinte Harting. „Er müsste doch sagen: 'Ich habe einen Athleten, der erfolgreich ist, der mir über Jahre hinweg erfolgreich die Position gesichert hat, warten wir mal ab'.“
Schult ist und bleibt wohl der Dauer-Feind von Harting. Gerade in schweren Zeiten fühlte sich der 31 Jahre alte Berliner vom Diskus- Weltrekordler im Stich gelassen. Zwischen den beiden Männern herrscht Eiszeit, sie haben sich schon lange nichts mehr zu sagen.
Was war überhaupt passiert? Harting hatte seinen ursprünglich für den 15. Mai in Wiesbaden geplanten Saisonstart verletzungsbedingt verschoben. „Das wird nicht einfach für ihn“, sagte Schult vor Ort nach dem Wettkampf im Hinblick auf die drei zu vergebenen Olympia-Tickets. „Da muss Robert was anbieten.“
Diese Forderung aus dem Off fand Harting „extrem unsportlich. Das ist hochgradig peinlich und seiner Position nicht würdig“, beklagte der dreimalige Weltmeister. „Ich hätte mir für mein Comeback in Rom eher ein aufmunterndes Wort von ihm gewünscht.“ Das sei „menschlich sehr enttäuschend“.
Und Harting setzte noch einen drauf: „Ich war der erste Athlet, der Jürgen Schult verlassen hat - und das merkt er sich fürs Leben.“ Von Herbst 2004 bis März 2006 hatte ihn der Neubrandenburger betreut, dann kehrte Harting zu Erfolgstrainer Werner Goldmann zurück.
Weltrekordler Schult relativierte seine Aussagen am Freitag. „Robert macht schwere Zeiten durch. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich gesagt habe, er muss jetzt etwas anbieten. Das ist nicht meine Diktion, nicht mein O-Ton“, sagte der Bundestrainer auf dpa-Anfrage. Und: „Ich will ihn da nicht unter Druck setzen.“
Er habe Harting am Freitagmorgen schon per WhatsApp gratuliert. „Fast 64 Meter in einem geschlossenen Stadion zu werfen, das finde ich richtig gut“, meinte Schult und beteuerte: „Ich bin der Meinung, dass ich für die Athleten da bin.“ In der nächsten Woche will er mit Harting persönlich sprechen.
Dann kann ihm Schult vielleicht gleich zur Norm gratulieren - die dann bereits ein DLV-Quartett geknackt hätte. Einen Vierkampf um Olympia und er mittendrin - das ist für Dauersieger Harting auch neu. Mit respektablen 63,96 Metern war er in Rom Dritter geworden - beim Stadion-Comeback nach 636 Tagen. Zur Norm fehlten 104 Zentimeter.
„65 Meter wollte ich hier schon werfen. Die Norm will ich jetzt in Birmingham klarmachen, ja. Das wird eine interessante Nummer“, meinte Harting, der am Freitag in Berlin gleich einen Sponsorentermin hatte und am Samstag nach Birmingham düsen wollte. „Der letzte Wurf wäre so etwa 65, 50 Meter weit gewesen - leider ist der Diskus ein bisschen außerhalb des Sektors gelandet.“
Er müsse jetzt die Gedanken an die Technik einfach abbauen - und mehr intuitiv werfen. „Aber wer Veränderungen will, der muss sich auch verändern.“ Noch plagen ihn Schmerzen. „Mein rechtes Bein, das stört mich nach wie vor“, erklärte Harting. Die entzündete Sehne im rechten Knie tut immer noch weh und behindert die Koordination.
Doch da muss er nun durch. Sogar sein jüngerer Bruder Christoph aus der gemeinsamen Trainingsgruppe von Torsten Schmidt hat die Norm schon in der Tasche (68,06 Meter). Vor Harting II hatten das auch Martin Wierig (67,60) und Daniel Jasinski (67,16) gepackt.