Issinbajewa: Mit Weltrekordstäben auf WM-Kurs
Daegu (dpa) - Jahrelang schwebte Jelena Issinbajewa in der Leichtathletik über allen anderen Frauen - auch finanziell gesehen. Dann kam der sportliche Absturz. Die WM in Daegu soll für die Stabhochsprung-Weltrekordlerin ein Neuanfang sein.
Normalerweise hält Stabhochsprung-Königin Jelena Issinbajewa vor internationalen Meisterschaften Hof: Pressekonferenzen mit Medienrummel, Blitzlichtgewitter und Sponsorengedöns. In den Tagen vor der Leichtathletik-WM in Daegu ist die Weltrekordlerin noch nicht aufgetaucht - und macht das Rätsel spannender: Wie fit ist die 29-jährige Russin zwei Jahre nach ihrem „Salto nullo“ von Berlin wirklich? Bei der Qualifikation am Sonntag muss sie erstmals Farbe bekennen.
Das russische Team bereitet sich in der Pazifik-Stadt Wladiwostok auf die WM vor, um sich an die klimatischen Bedingungen in Südkorea zu gewöhnen. Issinbajewa hat gleich neun Stäbe mitgenommen. „Mit jedem von ihnen habe ich einen Weltrekord aufgestellt“, sagt sie. Die 29-Jährige ist von Witali Petrow zu ihrem alten Trainer Jewgeni Trofimow zurückgekehrt, und der kündigt an: „Es wird einen neuen Rekord geben. Es ist nur eine Frage der Zeit. Wir respektieren alle Rivalinnen. Vielleicht sind drei oder vier Konkurrentinnen in der Lage, um den Sieg zu springen.“
Neben Sprintstar Usain Bolt war Issinbajewa in den vergangenen Jahren das Gesicht der Welt-Leichtathletik. „Sie ist eine Legende“, lobt IAAF-Präsident Lamine Diack, sagt aber auch: „Nichts bleibt im Sport ewig, auch die größten Champions ziehen sich mal zurück. Neue charismatische Charaktere werden immer wieder auftauchen.“
Einen Abgesang auf die Multimillionärin aus Wolgograd mit Zweitwohnsitz Monte Carlo würde - noch - niemand wagen. Die erfolgreichste Leichtathletin des 21. Jahrhunderts hat sich in diesem Jahr nach einer selbst verordneten Auszeit zurückgemeldet: mit übersprungenen 4,60 Meter in Heusden/Belgien und 4,76 Meter in Stockholm. Bei 5,06 steht ihr Weltrekord von Zürich 2009, es war die 27. Bestmarke ihrer Karriere.
Zwei Wochen zuvor war das Bild um die Sportwelt gegangen, wie Issinbajewa auf der Stabhochsprungmatte des Berliner Olympiastadions den Kopf in den Händen vergraben hatte. „Ich bin eben keine Maschine“, erklärte sie nach ihrem Sensations-Aus von Berlin. Bei der Hallen-WM 2010 in Doha landete die einstige Überfliegerin nur auf Platz vier - und verschwand erstmal von der Bildfläche, um Körper und Geist zu regenerieren. „Jelena ist in einem schlechten Zustand zu mir zurückgekommen, außerdem war sie an Achillessehne und Knie verletzt“, sagt Trowimow.
Issinbajewa tritt in Daegu nicht mehr als Weltmeisterin an - das ist die Polin Anna Rogowska. Und die Weltbestenliste führt Jennifer Suhr (USA) mit 4,91 Metern an. Zu den Medaillenkandidatinnen zählt auch die deutsche Rekordhalterin Martina Strutz.
Finanziell bleibt Issinbajewa unerreichbar in der Frauen-Leichtathletik: 7,5 Millionen US-Dollar soll sie dafür bekommen haben, dass sie nach den Sommerspielen 2008 vom deutschen Sportartikelhersteller adidas zum chinesischen Unternehmen von Turn-Olympiasieger Li Ning gewechselt ist. 100 000 US-Dollar (69 200 Euro) Prämie könnte die Stabartistin in Südkorea für einen weiteren Weltrekord kassieren. Doch das trauen der Olympiasiegerin von 2004 und 2008, Weltmeisterin von 2005 und 2007 und Europameisterin von 2006 im Moment nicht viele zu.