Jamaika hadert mit Doping-Sündern und ihren Jägern
Havanna/Kingston (dpa) - Sprintstar Asafa Powell, Olympiasiegerin Sherone Simpson und nun auch noch ein Fußballer der „Reggae-Boyz“-Nationalmannschaft - seit Wochen beschäftigen Dopingfälle die Karibikinsel Jamaika.
Der Fahndungseifer der 2008 gegründeten jamaikanischen Anti-Doping-Agentur JADCO geht offenbar einigen zu weit. Manche Politiker befürchten schon weltweiten Schaden für die „Marke Jamaika“.
Seit Wochen herrscht auf der Karibikinsel miese Stimmung. In einem Land, das sich gerne unter den Erfolgen von Sprint-Superstar Usain Bolt sonnt, gehört Leichtathletik längst zum nationalen Selbstbewusstsein, schrieb der „The Gleaner“-Journalist André Lowe in einem Gastbeitrag für den britischen „Telegraph“ über die Bedeutung der Leichtathletik für das Land.
Doch nun stehen die sportlichen Erfolge der vergangenen Jahre unter Generalverdacht. Kommentatoren und Leitartikler fordern die Unschuldsvermutung für die Dopingsünder. Andere wittern kurz vor den Weltmeisterschaften in Moskau Schadenfreude bei den Rivalen.
Der Aufstieg Jamaikas zur Sprint-Supermacht habe vor mehr als 100 Jahren begonnen, schrieb ein Rezensent zum gerade erschienenen Buch „The Making of a Sprinting Superpower“ des Historikers und ehemaligen Politikers Arnold Bertram. Und er sei lange vor den Doping-Anschuldigungen gegen eine „Handvoll jamaikanischer Athleten“ erreicht worden, fügte der Journalist in der Zeitung „Jamaica Observer“ hinzu.
Die Nerven liegen blank. Die jamaikanische Werbeagentur JAMPRO sorgte für Ärger mit der Behauptung, das Image des Landes habe keinen Schaden erlitten. „Lächerlich“, nannte dies ein Oppositionspolitiker. „Die zuvor unfehlbare Natur unseres Athleten-Könnens wurde angegriffen“, ätzte Karl Samuda im Parlament. Natürlich sei das ein Schaden für die „Brand Jamaica“.
Trotz der Kritik in den Medien wollen die Doping-Jäger den Kampf fortsetzen - und erhalten moralische Unterstützung von höchster Stelle. Unmittelbar nachdem bekanntgeworden war, dass Powell, Simpson und drei weitere Leichtathleten positiv getestet worden waren, hatte die Regierungschefin Portia Simpson Miller öffentlich die JADCO vor Angriffen geschützt. Das gründliche Kontrollprogramm „ist nicht neu, und es ist klar, dass es effektiv ist“, hatte sie laut der Zeitung „The Gleaner“ die Behörde verteidigt.
Sportministerin Natalie Neita Headley betonte, Jamaika wolle möglicherweise sogar ein international anerkanntes Anti-Doping-Labor im Land einrichten. Dafür brauche man aber erhebliche Investitionen und Unterstützung aus anderen Ländern.
Auch Jamaikas derzeitiger Top-Werbeträger Usain Bolt zeigte sich besorgt über die jüngsten Doping-Enthüllungen. „Das wird uns ein bisschen zurückwerfen“, sagte der sechsmalige Olympiasieger, nachdem neben Landsmann Powell auch der US-Amerikaner Tyson Gay positiv getestet wurde. Nachdem er beim Diamond-League-Meeting in London die 100 Meter so schnell wie noch nie in diesem Jahr gerannt war, beteuerte Bolt aber: „Ich bin sauber.“