Kritisch beäugte Marathon-Stars: Anna und Lisa Hahner
Berlin (dpa) - Anna Hahner wird ihr Lächeln auch nicht verlieren, wenn sie am Sonntag beim Berlin-Marathon die 42,195 Kilometer rennt. Die 25-Jährige lächelt sogar, wenn es wehtut. Darüber staunen viele.
Ansonsten lächeln Anna und ihre Schwester Lisa auf vielen Werbefotos: Die Hahner-Twins, wie sie sich selbst nennen, „die weltweit schnellsten Marathon-Zwillinge“, sind so etwas wie die Covergirls der deutschen Laufszene. Dass sie so offensiv vermarktet werden und ihrer eigenen Wege gehen, stößt nicht nur auf Gegenliebe.
In Berlin will Anna Hahner die Norm für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro laufen: 2:28:30 Stunden fordert der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV). Annas Bestzeit steht bei 2:26:44, die von Lisa bei 2:30:17. Die 16 Minuten jüngere Schwester, durch einen Ermüdungsbruch in der Wade im März zurückgeworfen, startet erst am 25. Oktober in Frankfurt.
Auf ihrer Homepage rennen die beiden bereits vor dem Zuckerhut an der Copacabana. Die Werbefotos wurden im Juli gemacht, als die Hahners schon mal brasilianische Luft schnupperten. Die Namen ihrer Sponsoren flechten die Zwillinge in Interviews so flüssig und zielgerichtet ein, wie sie auf dem Asphalt einen Fuß vor den anderen setzen. Das Duo ist zusammen mit Manager Thomas Dold, der sich internationale Meriten durch Siege bei Treppenläufen erobert hat, auch ein Geschäftsmodell: Run2Sky heißt der nur zehn Mitglieder starke Verein. Das Trio wohnt in Gengenbach im Schwarzwald.
Beim DLV ist das Unternehmen nicht unbedingt wohlgelitten. „Es gibt teilweise eine sehr gute Zusammenarbeit mit den Athleten. Und teilweise gar keine - wie in diesem Fall“, sagt Bundestrainer Wolfgang Heinig. Er war einst Heimtrainer der Hahners, die Sache ging im Streit auseinander, weil Heinig Manager Dold („Der bestimmt alles“) vorwarf, es mit den PR-Maßnahmen ständig übertrieben zu haben: „Wir hatten total unterschiedliche Vorstellungen, wie man Leistungssport betreibt. Sie sind in Deutschland führend, was den Kommerz angeht. Es leiden aber die sportlichen Leistungen darunter.“
Frankfurts Renndirektor Jo Schindler spricht „ungern“ öffentlich über die Hahner-Zwillinge. Einerseits sind sie Zugpferde für die Städte-Marathons, andererseits passen den Veranstaltern mitunter die finanziellen Forderungen und die PR-Strategie nicht. „Ich glaube, es gibt viele Wege zum Erfolg und jeder kann selbst entscheiden, welchen Weg er geht“, sagt Dold. „Das Wichtigste ist bei jedem Konzept, dass man es liebt und voll dahinter steht.“ Man habe zum Glück Partner, die auf Trainings- und Tagesabläufe Rücksicht nehmen.
Unbestritten sind Anna und Lisa Hahner nette und überaus höfliche junge Damen, das sagen auch ihre Läuferkolleginnen. In Interviews verwenden sie oft Worte wie „cool“ und „lustig“ und „Spaß“, auch wenn ihre Sportart eine ganz schöne Plagerei ist. „Es ist einfach schön, dass wir die gleiche Leidenschaft haben“, erklärt Anna in einem Gespräch mit dem „Leichtathletik“-Magazin. Sie sagt auch: „Von der Weltspitze sind wir noch sehr weit entfernt.“ Die beiden haben durchaus was zu sagen: Interviews oder Stories erscheinen aber auch mal nicht, weil ihr Manager die Hand drauf haben will.
In Berlin und Frankfurt geht es für die in Hünfeld/Kreis Fulda geborenen Hahners um die Olympia-Teilnahme. In Rio würden sie dann im DLV-Trikot laufen. Mit dem Verband gab es letztes Jahr richtig Krach, als Anna wegen der Vorbereitung auf den Herbst-Marathon auf einen Start bei der Leichtathletik-EM in Zürich verzichtete. Sie ist in keinem Kader mehr, Lisa flog nur wegen ihrer Verletzung nicht aus der Förderung.
Zum Testpool der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) gehören die beiden Läuferinnen aber noch. Mit dem DLV haben sie derzeit wenig bis nichts zu tun, ihre Trainingspläne schreibt der italienische Laufcoach Renato Canova. „Die beiden sind super drauf, und ich freue mich, dass Anna und Lisa die Norm laufen werden“, sagt Dold.
Seine Schützlinge sehen sich verblüffend ähnlich, allerdings trägt Anna Ohrringe, die etwas zurückhaltendere Lisa keine, im Alltag dafür aber eine Brille. Die beiden haben erst mit 17 angefangen zu laufen und einen Aufstieg hingelegt, von der viele Hobby-Läufer träumen, die sich mit gequältem Gesichtsausdruck über den Asphalt kämpfen.
Warum Anna sogar beim Laufen lächelt, hat sie übrigens mal so erklärt: „Wenn man so verkrampft ist in den Mundwinkeln, dann ist man verkrampft von den Schultern bis in die Beine.“