Lucas Jakubczyk, der Sprinter im Schatten
Zürich (dpa) - Mitte Mai kratzte er in Florida am deutschen Rekord, im August avancierte Lucas Jakubczyk in Zürich zum fünftschnellsten Mann Europas. Das ging flott: Erst vor drei Jahren sattelte der gelernte Weitspringer um, längst gehört er nun zu den Besten der Branche.
Genugtuung oder gar Euphorie ist bei dem 29-Jährigen aber nicht gerade zu spüren, irgendwie fühlt sich Jakubczyk wie ein Sprinter im Schatten. „In Deutschland werde ich doch nur von Leichtathletik-Verrückten wahrgenommen“, sagte der Berliner der Nachrichtenagentur dpa. „Fragen Sie doch mal auf der Straße, wer den Jakubczyk kennt. 99 Prozent werden sagen: Wer ist denn der Vogel?“
Der „Vogel“ hat sich jedenfalls ganz schön gemausert. Dass der zweitschnellste deutsche Sprinter dieses Jahres beim „Weltklasse“-Meeting in den B-Lauf abgeschoben wurde, ist die eine Geschichte. Die Geschichte, wie Lucas Jakubczyk dort überhaupt hinkam, eine andere: Schon vor zwei Jahren wurde er deutscher Meister. Am 10. Mai 2014 sprintet der Student der Sportwissenschaften die 100 Meter in Clermont/Florida in 10,07 Sekunden - nur eine Hundertstelsekunde fehlte zum Uralt-Rekord von Frank Emmelmann. Und bei der EM in Zürich trennten ihn 3/100 von Bronze: Platz fünf im Finale und dann als krönender Abschluss wieder Silber mit den Staffel-Jungs.
Danach war der Bart ab. Er hatte Glück gebracht, aber vielleicht kitzelt Jakubczyk ohne ihn bald noch ein paar Hundertstel raus. Den Anspruch hat er. „Es geht um Leistung. Deshalb setze ich mir Ziele - und dafür trainiere ich“, erklärte der viertbeste deutsche Sprinter der „ewigen“ DLV-Bestenliste. „Ich möchte nicht bei den Kids als Poster in jedem Kinderzimmer hängen. Das ist nicht mein Anspruch. Ich will Leistung bringen.“
Das gilt natürlich auch für seinen ersten Einzelstart in der Diamond League: Vor 25 000 Fans im Letzigrund-Stadion zu laufen - weit mehr als vor zwei Wochen beim EM-Finale -, darauf freute sich Jakubczyk. Dennoch bleibt er ein kritischer Geist und vor allem Realist, wenn es um seinen Job und sein Metier geht. „Wir sind doch kaum präsent im Fernsehen, die Leichtathletik hat gegen die Mannschafts-Sportarten keine Chance, da werden wir ausgebremst. Und daran wird sich auch in den nächsten Jahren nichts ändern“, beklagte er. „Was wir hier machen, ist kein Profisport.“
Es sei ein „Armutszeugnis“, dass im deutschen TV in einem Jahr nur vier oder fünf Leichtathletik-Veranstaltungen übertragen werden, meint Jakubczyk. Dabei wäre er in Zürich beinahe drin gewesen: sogar im A-Lauf mit Usain Bolt, live und im Farbfernsehen. Nur eben nicht in Deutschland, wo die Fans in diesem Jahr keins der 14 Meetings sehen können. Die Lichtgestalt aus Jamaika hat allerdings abgesagt, der A-Lauf wurde schnell mit anderen Stars bestückt - und EM-Finalist Jakubzcyk muss nun in der „Vor-Band“ mitmischen, was ihn zu öffentlichem Ärger veranlasste. Sogar über einen Startverzicht hatte er mal kurz nachgedacht. Aber Kneifen ist nicht sein Stil.