Nächste Weltjahresbestzeit: Gay fordert Bolt heraus

Des Moines (dpa) - Usain Bolt gegen Tyson Gay: Das große Duell der WM 2009 in Berlin verspricht nun auch das Highlight bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in zwei Monaten in Moskau zu werden.

Der fast schon in Vergessenheit geratene Gay lief bei den US-Meisterschaften in Des Moines die zweite Weltjahresbestzeit binnen drei Tagen. Nach seinem Sieg in 19,74 Sekunden über 200 Meter liegt der 30 Jahre alte Dreifach-Weltmeister von 2007 nun im Jahresranking beider Sprintstrecken klar vor dem Weltrekordhalter und Olympiasieger aus Jamaika.

Doch statt wie im sehr extrovertierten Sprint-Gewerbe eigentlich üblich eine forsche Kampfansage an den Superstar zu richten, hielt sich der eher schüchterne Gay zurück. „Das fühlt sich gut an“, sagte er. „Aber es ist doch kein Geheimnis, dass Usain Bolt der Größte aller Zeiten ist. Er wird definitiv sehr gut vorbereitet zur WM kommen. Ich konzentriere mich nur auf mich selbst und bin erstmal froh, das Rennen gesund überstanden zu haben.“

Bolt selbst verfolgte Gays klaren Sieg vor Isiah Young (19,86) und Curtis Mitchell (19,99) am Rande der jamaikanischen Meisterschaften. Über 200 Meter trat der 26-Jährige in Kingston gar nicht erst an, da er als Titelverteidiger über diese Distanz ohnehin für die WM vom 10. bis 18. August im Luschniki-Stadion qualifiziert ist. Über 100 Meter war er am Freitagabend in diesem Fernduell in 9,94 Sekunden noch deutlich langsamer gewesen als sein Rivale aus den USA (9,75).

Die Konsequenz: Bolt sagte seinen für Donnerstag geplanten Start in Ostrau ab und wird nun noch eine Woche länger als geplant in seiner Heimat trainieren. Der schnellste Mann der Welt ist es nicht gewohnt, Ende Juni noch seiner Form und zumindest auf dem Papier auch seinen Konkurrenten hinterherzulaufen. Bereits Anfang des Monats hatte er in Rom überraschend gegen Justin Gatlin verloren, der nun wiederum in Des Moines über 100 Meter von Gay abgehängt wurde.

Bolt geht mit dieser Situation zwar angespannt, aber auch nicht wirklich panisch um. „Ich habe noch an vielen Dingen zu arbeiten: an meinem Start, meinem Speed. Ich habe noch nicht die Power, die ich haben will“, sagte er in Kingston. Der Superstar betonte zum wiederholten Mal: „Die Weltmeisterschaften sind das Einzige, was wirklich zählt.“ Schließlich habe er in den vergangenen Jahren stets all jene Rivalen geschlagen, die jetzt an seinem Thron rütteln.

Tyson Gay weiß das nur zur genau. Der letzte Weltmeister der „Vor-Bolt-Ära“ verlor 2009 in Berlin das schnellste 100-Meter-Rennen der Geschichte gegen Bolt und wurde vor einem Jahr bei dessen Olympiasieg in London nur Vierter. Dazwischen lag 2010 ein einziger Sieg in Stockholm gegen den Jamaikaner und vor allem eine Serie nicht enden wollender Verletzungsprobleme. Mal musste der Amerikaner an der Hüfte operiert werden, mal klagte er über Schmerzen an den Leisten.

Umso überraschender ist es, dass Gay in dieser WM-Saison noch einmal so stark und vor allem so konstant ist. Und auch deshalb sagte er nach seinen beiden Weltjahresbestzeiten in Des Moines zunächst: „Ich bin vor allem froh, dass ich gesund bin.“

Vielleicht wusste der Routinier aber auch, dass es zumindest zu seiner 200-Meter-Zeit eigentlich gar nicht hätte kommen dürfen. Im Halbfinale trat Gay in der Kurve gleich mehrfach auf die Bahnmarkierung - die laut Reglement fällige Disqualifikation blieb jedoch aus. „Kein Offizieller hat's gesehen und was wir hier sagen, ist egal“, meinte der ehemalige Sprintstar Ato Boldon als TV-Experte.