Nytras Hürden-Hammer: Zielfoto einrahmen

Paris (dpa) - Acht Frauen, fünf Hürden, ein Zielfoto - und am Ende Gold für Carolin Nytra. In der Weltklassezeit von 7,80 Sekunden holt sie sich bei der Hallen-EM in Paris den Titel über 60 Meter Hürden.

Dies dürfte ihr Rückenwind für die Weltmeisterschaften im Spätsommer geben.

Nach dem Goldlauf kam Europameisterin Nytra noch einmal richtig in Fahrt. Und auch ihr Trainer Rüdiger Harksen war nicht mehr zu bremsen. Geteilte Freude, doppeltes Glück. „Wenn mein Adrenalin nicht mehr hochgeht, dann muss ich meinen Job aufgeben und mir etwas anderes suchen“, gestand der Coach freimütig. Als müsste sich der Mann dafür entschuldigen, dass Deutschlands beste Hürdenläuferin in Paris gerade eine Weltklasse-Zeit auf die blaue Bahn gelegt hat. Dafür arbeitet das Duo schließlich.

„Das war das beste Finale, das ich in 28 Dienstjahren erlebt habe. Ein unwahrscheinliches Niveau“, schwärmte Harksen nach dem Fotofinish im Endlauf über 60 Meter Hürden. „Das ist der Hammer!“, jubelte Carolin Nytra nach dem Zittersieg befreit - fast fünf Minuten lang hatten die Kampfrichter das Zielfoto beäugt. Nytra 7,80 Sekunden, die Britin Tiffany Ofili 7,80 Sekunden - wer ist vorn? Am Ende entschieden scharfe Augen und Tausendstel über Gold und Silber.

Nytra hatte sogar alte Videos studiert, um ihren Lauf speziell auf den letzten Metern zu optimieren. „In Barcelona habe ich das nicht auf die Bahn gekriegt. Heute habe mir vorgenommen: Hau' dich einfach voll mit dem Oberkörper ins Ziel“, erklärte die EM-Dritte vom MTG Mannheim. Als sie die Zeit sah, staunte sie selbst. „7,80 ist schon schnell.“ Nur 7/100 Sekunden trennen die 26-Jährige noch vom deutschen Uralt-Hallenrekord, den Cornelia Oschkenat am 25. Februar 1989 in Wien aufgestellt hat.

Das schwarz-weiße Zielfoto, geschossen am 4. März 2011 im Palais Omnisports, würde sich Nytra am liebsten einrahmen. Oder noch besser: Ein paar Abzüge machen. „Das kann ich dann als Dankeschön ein paar Mal verschenken.“ An ihren Freund, den Weitspringer Sebastian Bayer, zum Beispiel, ihren Trainer, den Physiotherapeuten. „Diese Goldmedaille ist auch eine Belohnung für alle um mich drumherum“, meinte Nytra, „an allen wurde rumgenörgelt. Jetzt macht sich alles bezahlt.“

Vielleicht auch beim Saisonhöhepunkt. Ende August finden in Daegu/Südkorea die Leichtathletik-Weltmeisterschaften statt. „Die 60 Meter in der Halle sind ja nur eine Momentaufnahme“, erklärte Harksen, „entscheidend ist, im Sommer an die Weltspitze heranzukommen.“ Die Halle sei aber wichtig als „Zwischenetappe“ für den Sommer. Dann werden die Grundlagen für schnelle Starts und Spritzigkeit gelegt. Harksen formuliert es so: „Das erste Stück mitnehmen und die zweite Hälfte drauftrainieren.“

Doch das Verletzungsrisiko beim Hürdensprint ist groß. „Da sind überall kleine lodernde Feuer“, erklärt der Trainer. „Wir müssen da aufpassen. Den Hürdensprint“, sagt Harksen schmunzelnd, „hat der liebe Gott jedenfalls nicht erfunden.“ Aber vielleicht das Zielfoto.