„Oma“ oho: Kleinert erstmals Kugelstoß-Europameisterin
Helsinki (dpa) - Sie selbst bezeichnet sich spaßhaft gern als „alte Oma“, doch bei den Leichtathletik-Europameisterschaften ist Nadine Kleinert noch einmal in den Jungbrunnen gefallen. Die Kugelstoßerin aus Magdeburg holte in Helsinki ihr erstes Gold bei internationalen Titelkämpfen - mit 36 Jahren.
Als sie im sechsten und letzten Durchgang in Helsinki den Ring betrat, da flossen schon die Freudentränen. Mit 19,18 Metern war der dreifachen Vize-Weltmeisterin Gold nicht mehr zu nehmen. „Ich kann auch heulen, wenn ich gut war. Ich strahle mittlerweile heller als die Sonne“, meinte Kleinert nach ihrem ersten EM-Titel im fünften Anlauf.
„Das war die einzige Medaille, die in meiner Sammlung noch gefehlt hat - und nun ist die da“, sagte die Europameisterin, die nach dieser Saison ihre Karriere beenden wird, überglücklich. „Zu Olympia fahre ich nun mit geschwollener Brust. Die Medaille gibt mir viel Rückenwind für London. Dort will ich ins Finale kommen und beste Deutsche sein.“
Zwar fehlten in Helsinki einige Weltklasse-Athletinnen - darunter Titelverteidigerin Nadeschda Ostaptschuk (Weißrussland), aber das störte Kleinert in diesem Moment überhaupt nicht. Silber holte die Russin Irina Tarasowa mit 18,91 Metern, Bronze die Italienerin Chiara Rosa mit 18,47 Metern. Kleinerts Clubkollegin Josephine Terlecki wurde Vierte, Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge) Fünfte. Beide trauerten etwas der Bronzemedaille nach.
„Ich ärgere mich auch ein bisschen über die Weite, aber da fragt in drei, vier Jahren keiner mehr danach“, sagte Kleinert und schickte ein paar Grüße in die Heimat: „Das war das beste Geschenk für meinen Freund, der morgen Geburtstag hat.“
Mit dem ersten Stoß von 19,15 Metern war Kleinert in Führung gegangen, im vierten legte sie noch drei Zentimeter drauf. „In diesem Alter so eine Leistungsfähigkeit, das ist ein Phänomen. Ich ziehe vor ihr den Hut“, meinte ihr begeisterter Trainer Klaus Schneider, warnte aber: „Den Bogen zu Olympia zu spannen und da von einer Medaille zu reden, das ist zu früh.“
In London wird Kleinert ihren 50. Einsatz im Nationaltrikot bestreiten. „Hundertprozentig“ sei dann aber Schluss. „Wer als Oma noch so gut ist, der hat's eben drauf“, hatte die Olympia-Zweite von 2004 schon vor ihrer Abschieds-Tournee gesagt. Bis auf eine einzige Ausnahme (Hallen-EM 1995) stand Nadine Kleinert bei internationalen Meisterschaften immer im Finale.
Unabhängig davon, wie es in London laufen wird, hat sie sich ihren sehnlichsten Wunsch erfüllt: Einmal ganz oben auf dem Treppchen zu stehen und die Nationalhymne zu hören. „Ich bin dann zum vierten Mal bei Olympischen Spielen. Eine Olympia-Medaille hab ich schon - wer kann das schon von sich behaupten.“