Speerwerferin Obergföll: „Schon wieder Silber“
Helsinki (dpa) - Christina Obergföll schüttelte den Kopf und verzog ihr Gesicht zu einem gequälten Lächeln. Die 30 Jahre alte Speerwerferin war bei der Leichtathletik-EM in Helsinki Gold schon sehr nahe, musste es sich aber von der Ukrainerin Wira Rebryk noch entreißen lassen.
So wartet die zweimalige WM-Zweite und nun auch zweimalige EM-Zweite weiter auf ihren ersten internationalen Titel: „Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass es schon wieder Silber ist.“
Auf der Tribüne erlebten auch ihr Trainer Werner Daniels und ihr Lebensgefährte, der frühere Weltklasse-Speerwerfer und heutige Männer-Bundestrainer Boris Henry, ein Wechselbad der Gefühle. „Christinas Lieblingsspruch ist: diesmal klappt's“, verriet Daniels danach. „Silber ist wohl nicht genug: Ich freue mich aber.“ Die Olympia-Generalprobe brachte Obergföll bis auf die Freude über den starken ersten Wurf („Endlich mal“) jedenfalls nicht entscheidend voran. „Ich bin ja jetzt auch schon ein bisschen ein alter Hase. Dass ich Silber hole: Ich weiß nicht, ob ich da neue Erfahrungen mitnehme.“
Es war ein langer Weg von Obergfölls Europarekord bei der WM 2005 ebenfalls in Helsinki bis zum Freitagabend. In den vergangenen Jahren hatte Daniels die Offenburgerin beim Saisonhöhepunkt oft trösten müssen. So bei der WM 2011 in Daegu/Südkorea, als sie in Topform anreiste, als Vierte leer ausging und bittere Tränen vergoss.
Die tschechische Weltrekordlerin und Olympiasiegerin Barbora Spotakova und Weltmeisterin Maria Abakumowa aus Russland fehlten, Obergföll hatte davon aber nicht viel wissen wollen: „Was die anderen entschieden haben, hat nichts mit mir zu tun. Jetzt bin ich hier, jetzt zieh ich das auch voll durch.“
Genau das tat sie dann zunächst. Nach dem ersten Wurf auf 65,12 Meter ballte Obergföll die Fäuste. Doch sie konnte nicht nachlegen - und im fünften Durchgang war es soweit: Rebryk warf den Speer auf die nationale Rekordweite von 66,86 Meter hinaus. Da konnte Obergföll nicht mehr kontern. „Ich hätte sicherlich noch weiter werfen können, aber dann habe ich es mit der Brechstange versucht.“
Titelverteidigerin Linda Stahl aus Leverkusen freute sich nach einem verkorksten Jahr 2011 über Bronze mit 63,69, hatte aber etwas Mitleid mit ihrer Rivalin: „Ich hätte es ihr auf jeden Fall gegönnt. Es ist schwer, wenn man im Fünften so einen vorgeknallt bekommt.“
Ebenfalls im Olympiastadion von 1952 war Obergföll bei der WM 2005 der internationale Durchbruch gelungen. Mit dem Europarekord von 70,03 Metern gewann sie überraschend Silber. Die Kubanerin Osleidys Menéndez schleuderte den Speer damals auf zuvor nie dagewesene 71,70. Zweite war Obergföll auch bei der WM 2007 in Osaka, Bronze gab es bei Olympia 2008 in Peking.