Querkopf Mallow in Rente: „Früchte noch geerntet“
Berlin (dpa) - Als Cheftrainer und Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) ist Jürgen Mallow einer der entscheidender Wegbereiter des großen Erfolges bei der Heim-WM in Berlin.
„Ich wollte die Früchte, die ich gesät habe, noch ernten“, sagte der 65-Jährige, der nach dem Tief bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen als Nothelfer in die Kommandozentrale des DLV geholt wurde und am 30. September in den Ruhestand geht. „Er hat sich große Verdienst um den Leistungssport im DLV erworben“, würdigte DLV- Präsident Clemens Prokop die Kärrnerarbeit Mallows. „Die WM in Berlin ist Höhepunkt und Krönung seiner Karriere.“ Gastgeber Deutschland gewann neun Medaillen.
Als im DLV vor fünf Jahren nach der Olympia-Pleite nichts mehr lief, holte man den damals als leitenden Landestrainer in Bayern tätigen Mallow als Cheftrainer nach Darmstadt. Schon von 1982 bis 1985 war er als Junioren-Bundestrainer in Diensten des DLV gewesen. „Ein Mann allein kann nicht alles schaffen und gestalten“, sagte Mallow. Er krempelte alle Strukturen im Verband um, rückte „Athleten und Heimtrainer“ in den Mittelpunkt. Schon bei den WM 2005 und 2007 ging es mit fünf beziehungsweise sieben Medaillen-Gewinnen wieder aufwärts - obwohl dem DLV nach dem Athen-Tief bis inklusive 2007 jährlich 600 000 Euro an Fördermitteln gestrichen wurde.
Bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking war es mit der Herrlichkeit jedoch schon wieder vorbei. Nur einmal Bronze bedeuteten ein historisches Tief in der DLV-Geschichte und machten den Verband zur Zielscheibe der Kritik. Mit einem verbalen Rundumschlag verschaffte sich Mallow („entwürdigendes Spiel“) noch in Peking Luft und wetterte gegen ungenügende staatliche Förderung und Unterstützung.
Die Kritik an dieser Minusbilanz hält er bis heute für überzogen. „Es fehlten nur die Medaillen. Denn 50 Prozent der Athleten haben eine Endkampf-Platzierung erreicht“, stellte der in Wustrow an der Elbe geborene Mallow fest. Nicht geändert hat sich auch seine Ansicht, dass die Leichtathletik in Deutschland zu wenig Anerkennung erfährt: „Die Wertschätzung wird ihrer Bedeutung nicht gerecht.“ Und statt stolz auf das Vollbrachte zu sein, nutzte er das WM-Ende in Berlin, um sich für die nach Peking totgesagte Sportart in die Bresche zu werfen. „Solche Tote liebe ich“, sagte Mallow und klagte über eine wenig sachkundige Behördenbürokratie: „Das sind Steineschmeisser.“
Nach der Peking-Pleite und seiner Schimpfkanonade gab er den Posten des Cheftrainers auf und wurde Sportdirektor. Degradierung oder Aufstieg? „Ich hatte vor, 2008 zu gehen, habe mich aber in die Pflicht nehmen lassen“, sagte der studierte Theaterwissenschaftler. An seiner Stelle wurden zwei Cheftrainer vom DLV mit der „Mission Heim-WM“ beauftragt: Rüdiger Harksen, der für den Lauf verantwortlich ist, und Herbert Czingon, der die Oberaufsicht über die technischen Disziplinen übertragen bekam.
Mallow, der als Trainer Patriz Ilg 1983 bei der WM zum Titel führte, glaubt, dass der in Berlin sichtbare Aufschwung der deutschen Leichtathletik anhalten wird. „Der Neuaufbau der Nationalmannschaft ist in hohem Maße abgeschlossen. Wir haben ein hohes Potenzial“, prophezeite Mallow. Für die Olympischen Spielen 2012 sieht er sieht er sogar den Gewinn von zehn bis zwölf Medaillen als möglich an. Mallow wird die weitere Entwicklung aber nur noch auch der Entfernung verfolgen. „Ich werde auswandern“, sagte er. Eine Wohnung in der Nähe von Wien wird sein Alterssitz werden. „50 Jahre war ich in der Leichtathletik. Ich freue mich nun darauf, einen Kalender ohne Wettkampftermine zu haben“, sagte Mallow.