Starke WM-Bilanz - Prokop: „Mannschaft der Zukunft“
Moskau (dpa) - Glänzende WM-Bilanz, blendende Perspektive. „Wir fahren mehr als zufrieden nach Hause. Und viermal Gold ist das Sahnehäubchen“, resümierte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), am Ende der WM in Moskau.
Für das goldene i-Tüpfelchen sorgte die „ewige Zweite“ Christina Obergföll, die mit 69,05 Meter triumphierte und als zweite deutsche Speerwurf-Weltmeisterin nach Steffi Nerius 2009 in die Geschichte eingeht. „Jetzt bin ich endlich die Vollendete“, jubelte Obergföll.
In der russischen Metropole sammelten die DLV-Athleten damit siebenmal Edelmetall (4 Gold/2 Silber/1 Bronze) wie bei der WM 2011 in Daegu/Südkorea (3 Gold/3 Silber/1 Bronze) und belegten im Medaillenspiegel hinter Russland, den USA, Jamaika und Kenia Rang fünf. Bei den Olympischen Spielen 2012 in London (1/4/3) waren es acht Plaketten. Vier WM-Titel gab es zuletzt 1999 in Sevilla.
Bis zu den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro sieht der DLV-Chef noch viel Luft nach oben. „Das Niveau und Potenzial kann noch höher werden. Es ist die Mannschaft der Zukunft“, sagte Prokop.
Von wegen ruhiger angehen lassen im Jahr nach den London-Spielen! Besonders Robert Harting (Diskus), Raphael Holzdeppe (Stabhochsprung) und David Storl (Kugel) gaben Vollgas, vergoldeten mit ihren Titeln bereits vor Obergföll die DLV-Bilanz. Hinzu kamen Silber für den Zehnkämpfer Michael Schrader und Christina Schwanitz im Kugelstoßen sowie Bronze für Stabhochsprung-Routinier Björn Otto. Als Vierte war für Siebenkämpferin Claudia Rath, die Diskuswerfer Nadine Müller und Martin Wierig, für Stabartistin Silke Spiegelburg und auch Speerwerferin Linda Stahl Bronze zum Greifen nah.
„Die Freude und der Spaß in der Mannschaft schweißt zusammen“, nennt Doppel-Weltmeister Storl einen Faktor der seit der Heim-WM 2009 in Berlin anhaltenden Erfolgsserie bei den Toptitelkämpfen. Der DLV hat dieses Wir-Gefühl gefördert, aber die Messlatte für die Athleten zugleich höher gelegt. „Die Erwartungshaltung von der DLV-Führung ist höher geworden“, sagte Weitsprung-Europameister Sebastian Bayer, der in Moskau nur Neunter wurde. „Man freut sich über Erfolge, haut aber auch nicht drauf, wenn es nicht so gut gelaufen ist.“
Dies galt vor allem im nacholympischen Jahr, in dem der DLV seinen Spitzenkräften freigestellt hatte, Zeit zur physischen und mentalen Erholung zu nehmen. „Die Idee der Strategie eines Übergangsjahres hat bewirkt, dass den Athleten nicht so ein Druck von außen auferlegt war“, erklärte Cheftrainer Idriss Gonschinska. Während Asse wie Storl eine Auszeit nahmen, wollte Christian Reif von einem Schongang nichts wissen. „Für mich gibt es keine Übergangsjahre“, sagte der WM-Fünfte im Weitsprung, der Bronze um fünf Zentimeter verfehlte.
So dachten viele der 66 DLV-Starter, von denen so manchem wie Reif nur das Quäntchen Glück zum Medaillengewinn fehlten. Zwei Dutzend Athleten erreichten immerhin einen Platz unter den Top-Zwölf bei der WM. Rund 80 Prozent der DLV-Starter konnten in Moskau ihre Bestform zeigen oder waren sogar besser. „Die deutschen Leichtathleten haben erneut eine hervorragende Visitenkarte ihrer Leistungsfähigkeit im Weltmaßstab abgegeben“, freute sich DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen.
Dabei standen in der russischen Metropole nicht mal alle Medaillengewinner der letzten Jahre zur Verfügung wie Matthias de Zordo, der Speerwurf-Weltmeister von 2011, Stabhochspringerin Martina Strutz, Lilli Schwarzkopf und Jennifer Oeser (beide Siebenkampf) oder Ariane Friedrich und Raul Spank (beide Hochsprung). „Das tadellose Gesamtergebnis hat alle Sorgen verfliegen lassen“, meinte Prokop mit Blick auf die Liste der prominenten Ausfälle.
Für den DLV war die WM in Moskau aber auch der Beginn einer Neuformierung und Verjüngung des Nationalteams, das ein Durchschnittsalter von 25,1 Jahren hatte. Allein 15 Talente waren nominiert, die eigentlich noch im U 23-Bereich auf Medaillenjagd gehen. Namen wie den 1500-Meter-Finalisten Homiyu Tesfaye (20), die Weitspringerinnen Lena Malkus und Malaika Mihambo (beide 19) sowie Christoph Harting, der Bruder des Diskus-Königs Robert, könnten einmal einen guten Klang bekommen.
„Im Sinne der Neuaufstellung der Nationalmannschaft war es mehr als erfolgreich“, befand Gonschinska. „Die Erfahrung, die man bei so einem Großereignis machen kann, kann man im Training nicht imitieren. In drei, vier Jahren können wir davon profitieren.“