Topsprinter Gay bestätigt positive Dopingprobe - WM-Aus
Frankfurt/Main (dpa) - Doping-Schock statt WM-Showdown: Mit der tränenreichen Offenbarung einer positiven Dopingprobe und seiner Absage des Titelduells mit Usain Bolt hat US-Sprintstar Tyson Gay vier Wochen vor der WM in Moskau ein Beben in der internationalen Leichtathletik ausgelöst.
Der schnellste Mann über 100 Meter in diesem Jahr bestätigte in einer Telefonkonferenz, dass er bei einer Trainingskontrolle am 16. Mai positiv auf eine verbotene Substanz getestet worden sei. „Ich komme nicht mit einer Sabotage-Theorie. Fakt ist vielmehr, dass ich Leuten vertraut habe, die mich nun hängengelassen haben“, sagte Gay.
Er habe keine schlüssige Erklärung, beteuerte der Amerikaner zugleich, und machte nebulöse Andeutungen. „Meine Familie weiß, dass es irgendeine Art von Unfall war, oder irgendeine Art von - ich will jetzt nicht bestimmte Wörter benutzen, die es als Unfall erscheinen lassen würden. Ich weiß genau, was ging, aber ich kann jetzt nicht darüber reden“, erklärte Gay.
Die ersten Reaktionen reichten von Ungläubigkeit bis Unverständnis. „Wir sind schockiert und entrüstet. Für die Leichtathletik und den Männer-Sprint im Besonderen ist das eine große Belastung. Damit werden im Grunde alle Spitzenleistungen infrage gestellt. Da sind Zweifel angebracht“, sagte Helmut Digel, Councilmitglied des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF, der Nachrichtenagentur dpa. „real???? Echt??? Wirklich??“, twitterte Deutschlands Weitsprung-Ass Sebastian Bayer.
Gay hatte bei den US-Trials mit 9,75 Sekunden über 100 Meter und 19,74 Sekunden über 200 Meter aufhorchen lassen. Er galt als ernsthafter Herausforderer für Jamaikas Sprint-König Usain Bolt, für den der Weg zum WM-Gold nun frei zu sein scheint. Zuvor hatte bereits dessen Landsmann und Titelverteidiger Yohan Blake verletzungsbedingt passen müssen.
Der 30 Jahre alte Gay will die B-Probe zwar schnellstmöglich öffnen lassen, hat seinen Start bei den Titelkämpfen vom 10. bis 18. August in Moskau aber bereits abgesagt. Die amerikanische Anti-Doping-Agentur (USADA) hatte den dreifachen Weltmeister von 2007 schon am Freitag über das positive Ergebnis der Dopingprobe informiert. „Das ist keine Nachricht, die wir hören wollen. Zu keiner Zeit und über keinen Athleten“, kommentierte Max Siegel, Präsident des US-Leichtathletikverbandes (USATF), den Vorgang.
Um welche Substanz es sich handelt, verriet Gay nicht. „Ich habe keine Vermutungen, ich habe gar nichts, was ich darüber sagen kann“, erklärte er. Auch der Verband tappt noch im Dunkeln. „Wir kennen die Fakten nicht und schauen nun auf die USADA, um den Fall dann entsprechend zu behandeln und eine Entscheidung zu treffen“, sagte Siegel. Sollte die B-Probe ebenfalls positiv ausfallen, droht Gay eine zweijährige Sperre.
Auch der IAAF liegen noch keine detaillierten Informationen über den spektakulären Fall vor. „Deshalb kann man jetzt weder etwas über die Schwere des Vergehens noch über die eingenommene Substanz sagen“, erklärte Digel. Fest stehe dagegen, dass das Ansehen der Leichtathletik darunter leide. „Wir haben Probleme genug. Das ist ein Ärgernis für die WM“, meinte Digel und fügte hinzu: „Entscheidend ist aber, dass dieser positive Test vor der WM aufgedeckt wurde.“
Gay war in dieser Saison fit und gesund auf die Bahn zurückgekehrt, nachdem er in den vergangenen Jahren wegen Bänder- und Muskelbeschwerden sowie einer Hüftoperation den Anschluss an die Weltspitze verloren hatte. Bei den Olympischen Spielen 2012 in London reichte es für den Amerikaner lediglich zu Silber mit der US-Staffel über 4 x 100 Meter.
Umso erstaunlicher geriet sein Comeback in dieser Saison. „Die Zeit gibt mir das Selbstvertrauen, dass ich jeden schlagen kann“, tönte er nach seiner Weltjahresbestleistung über 100 Meter Mitte Juni bei den US-Meisterschaften in Des Moines/Iowa. Einen Monat später steht Gay am Pranger und möglicherweise vor dem Karriereende.