Vom Supertalent zum Weltmeister: Vieles neu für Storl
Zürich (dpa) - „Und jetzt aus Deutschland: Daviiiiiiiiiiid Storl!“ Der Moderator des legendären Züricher Meetings begrüßte den neuen Weltmeister im Kugelstoßen so, wie man seine großen Attraktionen eben vorstellt in der Leichtathletik: mit viel Getöse und lautem Geschrei.
Noch vor einer Woche wäre Storl wohl weitgehend unbemerkt in diesen Wettkampf gegangen, aber seit er in Daegu völlig überraschend vom größten Talent zum neuen König seiner Disziplin aufgestiegen ist, hat sich für ihn vieles verändert. In Zürich ist das gut zu beobachten gewesen, obwohl der 21 Jahre alte Chemnitzer bei seinem ersten Auftritt nach dem WM-Triumph nur den fünften Platz belegte.
„Ich habe in Daegu ein bisschen mehr Selbstvertrauen getankt. Aber die Erwartungshaltung ist auch viel größer geworden“, sagte Storl in seinen gewohnt sparsamen und zurückhaltenden Worten. Die Zuschauer, Journalisten und Konkurrenten schauen auf einmal ganz genau hin, wenn er in den Ring steigt. „Die Jungs wollten eine kleine Revanche“, meinte er. Und die Reporter fragten: Nur Fünfter? Als Weltmeister?
Mit 21,23 Metern legte Storl in Zürich den drittbesten Wettkampf seiner Karriere hin, nur in der Qualifikation und im Finale der WM stieß er bislang weiter. Daegu hat die Maßstäbe verrückt, aber der ehemalige Junioren-Weltrekordler geht damit ähnlich stoisch um wie mit dem medialen Überschwang nach seinem Erfolg in Südkorea. „Klar denken einige jetzt anders. Aber ich bin mit meiner Leistung zufrieden“, sagte er. „Die große Anspannung ist weg nach der WM.“
Storl möchte in dieser Saison noch beim ISTAF in Berlin (11. September), beim Werfertag in Thum und beim Länderkampf „Decanation“ in Nizza antreten. „Ziele setze ich mir jetzt aber keine mehr“, sagte er. „Ich möchte nur noch ein bisschen Spaß haben und genießen.“
Nach dem Wettkampf im Züricher Hauptbahnhof ging es damit gleich los. Storl und die anderen Athleten genehmigten sich hinter der eigens aufgebauten Mini-Arena ein Bier und stießen auf eine lange Saison an. Die Kugelstoßer pflegen untereinander ein besonderes Verhältnis. Niemand würde dem anderen freiwillig eine Medaille überlassen, aber neben aller Rivalität verbindet sie auch das Gefühl, kaum beachtet zu werden neben den Sprintern und Springern.
Storl wird in diesem Kreis eher geachtet, denn als neue Bedrohung wahrgenommen. Zumindest beschreibt er das so. „Wir verstehen uns alle gut“, meinte er. „Und als Konkurrenten haben sie mich schon vor der WM gesehen.“ Als erstes prostete er am Mittwoch Dylan Armstrong zu - der Kanadier hatte in Daegu nur Silber geholt, in Zürich dann aber bereits den vierten großen Meeting-Sieg in dieser Saison gefeiert.
Noch mehr über diese Atmosphäre sagt das Verhältnis zwischen Storl und Routinier Ralf Bartels aus. Der 33-Jährige hätte die Wachablösung im deutschen Kugelstoßen gern noch etwas länger hinausgezögert. Aber jetzt, wo sie mit besonders lauten Pauken und Trompeten erfolgt ist, fügt er sich mit großem Respekt in die Rolle eines Mentors. Ob während des Wettkampfes oder im Hotel: Ständig scherzen die beiden miteinander oder tauschen sich aus. „Ich freue mich für David“, sagte Bartels nach seinem siebten Platz in Zürich. Und stieß mit ihm an.