Balanceakt bei Mercedes - Ecclestones Wunsch an Vettel

Melbourne (dpa) - Nach 112 Tagen gibt die Formel 1 wieder Vollgas. Auf dem Asphalt in Melbourne erhalten am Sonntag Experten und Fans Rückschlüsse über die wahren Kräfteverhältnisse. 22 Fahrer jagen auf 21 Etappen Punkten hinterher.

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Die brisanten Fragen sind noch offen.

Wird es zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg wieder krachen?

Damit muss man weiter rechnen. Alleine die Konstellation bei den Mercedes-Stallrivalen ist explosiv. Hamilton peilt seinen dritten WM-Titel in Serie an, Rosberg muss als zweimaliger Vize-Weltmeister endlich eine Imagekorrektur schaffen. Kompromisse kann sich ein erfolgsbesessner Pilot da nicht leisten.

Motorsportchef Toto Wolff wies zuletzt darauf hin, dass Fahrer und Teamleitung in den drei vergangenen gemeinsamen Jahren viel dazugelernt hätten und weiter gereift seien. Erste verbale Spitzen vor dem Auftaktrennen lieferten sich Hamilton und Rosberg aber schon beim Medientag des Weltmeister-Rennstalls in Fellbach bei Stuttgart.

Angesichts einer gelockerten Benimmregel auf dem Asphalt kann es zwischen beiden Piloten früher krachen, als Mercedes lieb sein darf. „Die Fahrt wird für das Team manchmal ein bisschen schwieriger“, prognostizierte Wolff angesichts der neuen Freiräume für seine Fahrerpaarung, „aber ich denke, das ist absolut notwendig.“ Ein Balanceakt deutet sich wieder an.

Wie gefährlich wird Ferrari-Star Sebastian Vettel den Silberpfeilen?

Der sehnliche Wunsch kommt vom Formel-1-Chefvermarkter selbst. „Ich hoffe inständig, dass Ferrari wieder dorthin zurückkehrt, wo sie hingehören. Das würde die WM attraktiver machen“, sagte Bernie Ecclestone vor dem Auftakt. Der 85-jährige Brite wünscht sich für sein Premiumprodukt eine spannendere Show - und Sebastian Vettel soll der zentrale Akteur sein.

Nur der WM-Dritte aus Heppenheim konnte den Silberpfeilen 2015 gefährlich werden. Nach einer verheißungsvollen Vorbereitung will Vettel Mercedes, das die Scuderia als Hauptkonkurrenten ausgemacht hat, den Titel nun streitig machen. Neun Jahre nach der letzten Fahrer-WM der Scuderia durch Kimi Räikkönen soll es endlich wieder soweit sein. „Wir haben einen großen Schritt nach vorne gemacht“, versicherte der viermalige Weltmeister Vettel. „Wir müssen aber noch auf dem Boden bleiben.“

Kann der neue Qualifikationsmodus für mehr Spannung sorgen?

Da gehen die Meinungen auseinander. Künftig scheidet in allen drei Qualifikationsrunden nach einer bestimmten Zeit alle 90 Sekunden der jeweils langsamste Fahrer sofort aus. Die Zuschauer sollen dadurch die Piloten länger auf der Strecke erleben dürfen. „Das war es nicht, was ich wollte“, schimpfte Ecclestone über den neuen Modus. Der Chefvermarkter hatte ein System mit Zeitstrafen vorgezogen.

„Ich habe das Format in den vergangenen Jahren gemocht, deshalb ergibt es für mich derzeit keinen Sinn“, räumte Hamilton ein. „Vielleicht werden wir aber auch positiv überrascht.“ Vettel ist da viel skeptischer. „Jeder Fan, der auf der Tribüne sitzt und vorm Fernseher, sieht seinen Fahrer. Mal öfter, mal weniger. Mit dem neuen Format wird das alles nicht besser, im Gegenteil“, kritisierte er.

Wird Debütant Pascal Wehrlein nur hinterherfahren?

Manor steht in der Formel-1-Hierarchie ganz hinten. Dessen ist sich auch der Worndorfer Pascal Wehrlein, der am Rennwochenende Beistand von seinem Vater bekommt, mehr als bewusst. Der MRT05 wird zwar von einem Mercedes-Aggregat angetrieben, doch von dem Format eines Silberpfeils ist der Wagen weit entfernt.

Wehrlein will in seinem Premierenjahr als Formel-1-Stammpilot erstmal regelmäßig ins Ziel kommen. Überraschungen schließt der 21-Jährige, der Melbourne aus seiner Zeit als Mercedes-Testfahrer schon kennt, nicht aus. „Ich glaube, dass ich sehr schnell lerne und mich schnell an neue Gegebenheiten anpasse“, meinte Wehrlein. Wenn sein neuer Wagen zuverlässig ist, könnte er zumindest für das eine oder andere Ausrufezeichen sorgen.

Muss sich McLaren erneut auf eine schmerzhafte Saison einstellen?

Für den früheren Weltmeister-Rennstall McLaren war 2015 eine peinliche Saison. Als Vorletzter der Konstrukteurwertung war es sogar das schwächste Jahr seit 1980. „Ist es schmerzhaft? Natürlich ist es schmerzhaft“, hatte Teampatron Ron Dennis zum Hinterherfahren gesagt. „Wir müssen aber durch diesen Schmerz durch, um dorthin zu kommen, wo wir hin wollen.“ Und das sind Siege. Bis dahin ist es aber noch ein sehr weiter Weg für Fernando Alonso und Jenson Button.

Immerhin verliefen die Wintertests in Barcelona nicht so katastrophal wie noch 2015. Der Honda-Motor ist nach einem desaströsen Aufbaujahr stabiler, doch noch immer fehlt es dem Aggregat an Leistung. „Die Dinge werden dieses Jahr ganz anders aussehen als noch im vergangenen“, hofft der zweimalige Champion Alonso.