Belastungsprobe für Ferrari: Räikkönens Rücktrittsgedanken
Silverstone (dpa) - Aus dem missglückten Formel-1-Experiment mit Kimi Räikkönen wird für Ferrari eine enorme Belastungsprobe. Der Finne hat mit seiner Rückzugsandeutung Spekulationen über seine Zukunft und die Neuausrichtung der strauchelnden Scuderia befeuert.
Kann Ferrari noch auf einen Fahrer setzen, der sich spätestens Ende 2015 von der Scuderia und der Königsklasse des Motorsports verabschieden könnte? Zumal das Team mit dem Rückkehrer in dieser Saison überhaupt nicht zufrieden ist. Und wie verhält es sich mit der Personalie des schier ewig umworbenen Fernando Alonso?
Räikkönen jedenfalls verschaffte sich vor dem Grand Prix von Großbritannien Luft und sorgte für Zündstoff. Auf die Frage, ob er sich noch lange bei Ferrari sehe, antwortete der Weltmeister von 2007 gewohnt knapp und prägnant: „Bis mein Vertrag beendet ist, und dann höre ich wahrscheinlich auf. Ich denke, das ist, was geschehen wird.“
Was Räikkönen damit losgetreten hat, sind unvermeidlich Spekulationen über die weitere Beziehung zu Ferrari. Es wäre das zweite Mal, dass der heute 34-Jährige der Scuderia und der Formel 1 Ciao sagt. 2009 hatte das Team aus Maranello Räikkönen nach drei Jahren vom Hof gejagt, um seinen heutigen Stallrivalen Alonso zu verpflichten. Danach gönnte sich der Mann aus Espoo einen Rallye-Abstecher, ehe er sich bei Lotus wieder eindrucksvoll für Ferrari empfahl.
Doch die neu entflammte Leidenschaft ist schnell abgekühlt. Mit der ersten Weltmeister-Paarung seit 1953 rückte Ferrari von seinen Prinzipien ab: Zwei Alphatiere sollten Weltmeister Sebastian Vettel und Red Bull den Titel streitig machen. Das Szenario derzeit: Für die Scuderia-Paarung ist der Titel weit entfernt. Alonso kommt mit der schwachen „Roten Göttin“ wenigstens halbwegs klar. Räikkönen kriegt den launischen Wagen gar nicht in den Griff.
Spannend wird die Akte Alonso. Immer wieder gibt es Gerüchte über eine Rückkehr zu McLaren. Zwar besitzt Alonso noch einen Vertrag bei Ferrari bis 2016, doch Ron Dennis will und muss die Briten nach seiner Rückkehr wieder zu einem titelfähigen Rennstall machen. Große Hoffnungen setzt McLaren auf den neuen Motorenpartner Honda ab 2015 - nun fehlt noch ein unbestrittener Spitzenfahrer. Einer wie Alonso.
„Wir haben einige Optionen, die wir ziehen können“, erklärte Renndirektor Eric Boullier. „Deshalb sind wir nicht in Eile, um unsere Fahrerpaarungen für nächstes Jahr oder die Zukunft zu bestimmen.“ In diesem Jahr bilden Jenson Button und Kevin Magnussen das McLaren-Duo. Doch Dennis verlangt insbesondere von dem Briten mehr. An Alonso hat er allerdings vorwiegend schlechte Erinnerungen, nicht zuletzt wegen der erschütternden Spionageaffäre 2007.
Räikkönen muss nun darum kämpfen, dass sich die Ferraristi gerne an ihn erinnern. Vettels Badminton-Kumpel liegt mit 19 Punkten nur auf Rang zwölf der Fahrerwertung. Dabei hatte der „Iceman“ als letzter Ferrari-Weltmeister die Fangemeinde 2007 noch verzückt.
Nach zwölf Jahren Formel 1, sein Debüt hatte Räikkönen 2001 in einem Sauber gegeben, deutet sich also sein schleichender Abschied an. Erst vor wenigen Wochen hatte er seinen 200. Grand Prix in Montréal bestritten. Räikkönen ist definitiv für vieles offen nach seiner Zeit im Formel-1-Zirkus. „Ich habe viele Dinge ausprobiert und geschadet hat es nicht“, erzählte er in England. „Das hat mich von der Formel 1 nicht abgelenkt. Es kann meiner Meinung nach nur helfen.“
Trotz seiner Verlautbarung ließ es sich Räikkönen nicht nehmen, die italienischen Formel-1-Fans noch einmal zu umgarnen. Nachdem Chefvermarkter Bernie Ecclestone erklärt hatte, dass das Traditionsrennen in Monza von 2017 an aus dem Rennkalender gestrichen werden könnte, schilderte der Finne seine Sicht der Dinge. „Meiner Meinung nach wäre das für jeden und die Formel 1 sehr dumm“, stellte er klar. „Hoffentlich wird das niemals geschehen.“