Bradl in Lauerstellung: Zukunft weiter offen

Stefan Bradl hat die WM-Goldmedaille stolz in Empfang genommen. Nach den stressigen Valencia-Tagen folgt nun der Feier-Marathon. Und erst dann will sich der Motorrad-Weltmeister Gedanken um die Zukunft machen.

Denn wo er nächste Saison fährt, ist noch nicht entschieden.

Valencia (dpa) - Erst eine eher noch verhaltene Party an der Rennstrecke, dann der große Auftritt bei der Zeremonie des Motorrad-Weltverbandes FIM: Für Moto2-Weltmeister Stefan Bradl hat der Feier-Marathon begonnen.

Nach der besten Saison seiner Karriere, die auch durch den Sturz beim WM-Finale in Valencia nicht getrübt wird, ist nun Erholung angesagt. Wenn man davon überhaupt sprechen kann. Denn in seiner bayerischen Heimat in Zahling wartet man schon ungeduldig auf die Rückkehr des Zweirad-Helden.

Voller Stolz nahm Bradl die WM-Goldmedaille entgegen. Im schwarzen Anzug und weißen Hemd aber fühlte sich der 21-Jährige lange nicht so wohl wie in der Leder-Kombi, mit Stiefeln und Helm. Die öffentlichen Auftritte mag der Zahlinger sowieso nicht. Doch nahm er an diesem Abend die Verwandlung gerne in Kauf, wohl wissend, dass es keine Selbstverständlichkeit sein wird, diesen Coup zu wiederholen.

Denn in dieser Saison hat alles gepasst. Bradl war der Fahrer mit den wenigsten Fehlern, mit einem hervorragend von seiner Crew präparierten Motorrad, dem von der Augsburger Firma Kalex hergestellten, wahrscheinlich besten Chassis und - auch das sollte nicht verschwiegen werden, mit dem meisten Glück.

Er nutzte die hohe Ausfallquote von Marc Marquez zu Saisonbeginn gnadenlos zum Punktesammeln. Als der Spanier zum Ende des Wettkampfjahres noch einmal Nerven zeigte, mehrfach stürzte und zwei Rennen verletzungsbedingt verpasste, schlug Bradl wieder zu.

Und so ist man mittlerweile gespannt, wie der Zweikampf in der nächsten Saison weiter geht. Marquez will nicht nach nur einem Jahr Moto2 in die Königsklasse MotoGP aufsteigen. Bradl würde gern, doch es fehlen die passenden Angebote und auch das Geld. Und das ist das Dilemma des deutschen Motorrad-Rennsports insgesamt. Mittlerweile gibt es hierzulande einige Talente, wie die insgesamt sieben Grand-Prix-Siege deutscher Piloten in dieser Saison zeigen. Doch die Sponsoren haben den Zweirad-Sport noch nicht für sich entdeckt.

Bradl wäre zu gern in die MotoGP gewechselt, gemeinsam mit seiner kompletten Mannschaft vom Kiefer-Racing-Team. Für Hauptsponsor Viessmann aber war das finanzielle Risiko (noch) zu hoch. Sechs Millionen Euro mindestens müssen aufgebracht werden. Und dann ist fraglich, ob man dafür ein konkurrenzfähiges Motorrad bekommt. Denn nichts ist rufschädigender; als wenn ein Moto2-Weltmeister in der MotoGP nur noch hinterher rollt und unbeachtet in der Versenkung verschwindet. Beispiele dafür gibt es aus der Vergangenheit mehrere.

Aufgegeben hat Bradl seinen Traum noch nicht, auch wenn er beteuert: „Die Titelverteidigung ist ein sehr aufregendes Unternehmen. Ich habe noch viel vor in meiner Karriere.“ Gleichzeitig lässt er den unterschriftsreifen Vertrag mit dem Viessmann-Kiefer-Racing-Team noch etwas liegen.

„Ich brauche jetzt erst mal etwas Ruhe. Dann lese ich ihn mir noch mal durch“, betont Bradl. Die Hoffnung, dass vielleicht doch noch ein Anruf aus der MotoGP kommt, schwingt darin mit. Zumal er in Valencia schon mal als Auszeichnung für seine gezeigten Leistungen in der abgelaufenen Saison die MotoGP-Honda von Weltmeister Casey Stoner testen darf. Der Test ist für den 8. und 9. November angesetzt. Bei der Maschine handelt es sich um das bis zum Grand Prix in Valencia verwendete Motorrad mit 800 Kubikzentimeter.

Die Tatsache, dass Bradl beim Test vom Team des italienischen Teamchefs Lucio Cecchinello betreut wird und aus der Box des LCR-Teams starten wird, schürt neue Spekulationen um einen möglichen Umstieg des 21-Jährigen in die MotoGP. Vater Helmut Bradl hatte bereits im Sommer intensiv mit Cecchinello verhandelt, war aber gescheitert. „Solange die Tinte unter den Verträgen nirgendwo trocken ist, ist auch nichts entschieden“, sagte Helmut Bradl vieldeutig.

In seiner Heimatgemeinde Obergriesbach darf sich der frischgebackene Weltmeister auf einen feuchtfröhlichen Empfang freuen. Dem 21-Jährigen aus dem Ortsteil Zahling werde ein großer Empfang „mit Blaskapelle und allem Drum und Dran“ bereitet, wie Bürgermeister Josef Schwegler bekanntgab. Er erwartet rund 200 Fans, zudem soll sich Bradl ins Goldene Buch der Gemeinde eintragen.