Grand Prix von Großbritannien Formel-1-Reizklima: Ferrari-Stärke macht Mercedes nervös

Silverstone (dpa) - Am Tag danach wurde Lewis Hamilton die Wirkung seiner Worte bewusst. Fast schien es, als seien dem Formel-1-Weltmeister die Unterstellungen gegen Ferrari wegen seines Unfalls mit Sebastian Vettels Teamkollegen Kimi Räikkönen in Silverstone peinlich.

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„Manchmal reden wir dummen Mist und lernen daraus“, schrieb Hamilton bei Instagram und akzeptierte mit knapp 20 Stunden Verspätung Räikkönens Entschuldigung. „Es geht weiter. Es war ein Rennunfall, mehr nicht“, teilte der Mercedes-Star mit.

Da jedoch hatte der Wirbel um die ziemlich offenen Vorwürfe aus dem Silberpfeil-Rennstall gegen Ferrari schon ziemlich Fahrt aufgenommen. Hamiltons Niederlage gegen WM-Spitzenreiter Vettel auf seiner Heimstrecke infolge des Remplers von Räikkönen am Start hatten Mercedes und seinen Superstar tief getroffen. Vor der zweiten Saisonhälfte wirkt das Weltmeister-Team zunehmend gereizter und nervöser, je stärker Ferrari wird.

Mit bitterer Miene hatte Hamilton auf der Sieger-Pressekonferenz noch deutlich gemacht, wie er die Ereignisse des packenden Renn-Sonntags empfand: als tiefe Ungerechtigkeit. Er sah sich zunächst als Opfer, Räikkönen war der Täter - und Vettel der Profiteur. „Das ist eine interessante Taktik von denen, würde ich sagen“, meinte der Rennzweite - und deutete damit in seinem ersten Frust an, hinter dem Vorfall stecke ein Plan von Ferrari.

Vettel entgegnete: „Es wäre verrückt anzunehmen, dass das Absicht war.“ Die österreichische „Kronen-Zeitung“ wittert prompt „dicke Luft in der F1“ und fragte: „Wurde Hamilton von Ferrari absichtlich gerammt?“

Hamilton erhielt Unterstützung von seinen Vorgesetzten. Teamchef Toto Wolff säte Zweifel an der Scuderia allein dadurch, dass er im TV die Frage seines Technikchefs James Allison wiederholte, ob der Räikkönen-Rempler „Absicht oder Unvermögen“ sei. Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene reagierte ungehalten über die Aussagen des früheren Scuderia-Kollegen Allison: „Wenn er das wirklich gesagt hat, sollte er sich schämen.“

Aber auch Mercedes-Teamaufseher Niki Lauda, ebenfalls einst bei Ferrari unter Vertrag, sprach davon, „dass der Unfall grundsätzlich unfair“ gewesen sei. Der Österreicher erinnerte an die Ereignisse in Le Castellet. „Es ist das zweite Mal, dass uns ein Ferrari in der ersten Kurve anrempelt, und das ist nicht lustig“, meinte er. „Ohne den Unfall hätte Lewis gewonnen.“

Zwei Wochen zuvor hatte Vettel beim Grand Prix von Frankreich den Finnen Valtteri Bottas gleich nach dem Start von der Strecke geschoben. Hamiltons Teamkollege wurde mit beschädigtem Auto noch Siebter, Crash-Verursacher Vettel rettete sich auf den fünften Platz und gestand später den Fehler ein. Der 31-Jährige erhielt eine Fünf-Sekunden-Strafe. Zu milde, wie damals kritisiert wurde.

In Silverstone musste Räikkönen zehn Sekunden Strafe verbüßen, nachdem sein Unfallgegner von Rang 18 am Ende des Feldes seine Aufholjagd bis auf Platz zwei starten musste. „Die Sportkommissare haben gelernt. Zehn Sekunden für Kimi sind eine gerechtere Strafe als die fünf für Vettel in Frankreich“, meinte Lauda. Räikkönen gab sich einsichtig: „Es war mein Fehler, also geht das in Ordnung.“

Das Klima zwischen den Top-Teams wird giftiger, auch wenn Hamiltons Zorn am Montag verraucht schien. Nach vier Jahren der silbernen Dominanz ist die Scuderia mindestens ebenbürtig. Sogar auf Mercedes-Strecken wie in Silverstone und zuvor im kanadischen Montréal und im österreichischen Spielberg.

Angesichts des engen Klassements tun Punktverluste wie in Spielberg beim Technik-Ausfall beider Autos und durch die Kollisionen von Le Castellet und Silverstone dem Weltmeister-Team weh. Anstatt zu führen, liegt Hamilton acht Zähler hinter Vettel. Auch bei den Konstrukteuren steht Rot nach dem zehnten von 21 Saisonrennen vor Silber. „An den zurückliegenden drei Wochenenden haben wir durch eigene Fehler und die von anderen Punkte verloren“, meinte Wolff.

Hamilton wirkte in den ersten Stunden nach dem Rennen erschüttert, nicht zum fünften Mal nacheinander und zum sechsten Mal insgesamt in Großbritannien gewonnen zu haben. In seiner Enttäuschung verweigerte er das erste Interview nach dem Rennen. Seine Antworten in der Pressekonferenz fielen einsilbig aus. Teamchef Wolff verstand ihn und sagte: „Es ist Silverstone, es ist der britische Grand Prix, er ist in der ersten oder dritten Kurve raus geschossen worden. Da bekommt er jeden Kredit von mir.“