Der WM-Kampf der Teamchefs

Montréal (dpa) - Wenn sich die Teamchefs von Ferrari und McLaren zum privaten Plausch treffen, spielt die Formel 1 irgendwann keine keine Rolle mehr. Stefano Domenicali und Martin Whitmarsh verstehen sich bestens.

Sobald die Motoren gestartet werden, ist damit aber Schluss.

Im Kampf um Prestige und Pokale, Geld und Ruhm müssen sie dem großen Druck von Konzernen und Fans standhalten. „Wenn man abends schlafen geht, stellt man sich vor den Spiegel und fragt sich, ob man das Beste gegeben hat. Und wenn die Antwort Ja ist, ist mehr einfach nicht möglich“, betonte Domenicali vor dem Großen Preis von Kanada in Montréal.

Der stets zuvorkommende und höfliche Italiener arbeitet seit 1993 Jahren bei Ferrari, 2008 wurde er Nachfolger von „Napoleon“ Jean Todt. Whitmarsh stieg 2009 vom Geschäftsführer zum Teamchef bei McLaren auf. In Ron Dennis hatte auch er eine der prägendsten Figuren der Formel 1 als Vorgänger. Beide übernahmen ein großes Erbe und damit auch eine große Erfolgslast. Für Domenicali reichte es bislang zu einem Konstrukteurstitel (2008), Whitmarsh hat noch gar keinen als Teamchef. Viel zu wenig, für beide.

Kollege Ross Brawn muss schon lange nichts mehr beweisen. An allen sieben WM-Titel von Michael Schumacher hatte das Superhirn der Formel 1 maßgeblichen Anteil. Bei Mercedes ist der 57-Jährige auf dem Weg, den Silberpfeil zum titelträchtigen Wagen zu machen und damit Amtsrivale Christian Horner von Red Bull das vor allem in den vergangenen beiden Jahren siegverwöhnte Teamchef-Leben ein bisschen schwerer zu machen.

Horner ist mit gerade mal 38 Jahren der jüngste Entscheidungsträger aus dem Top-Teamquartett. Er war von Anfang an dabei und formte das Privatteam Red Bull nach dem Einstieg 2005 zum Branchenführer der vergangenen beiden Jahre. Horner ist gerade mal drei Jahre älter als Pilot Mark Webber, Autoritätsprobleme hat er offenkundig aber nicht. Und wenn es mal so wäre, gibt es noch Red-Bull-Besitzer Dietrich Mateschitz im Hintergrund.

Horner, Brawn, Whitmarsh und Domenicali - drei Briten und ein Italiener. Zumindest die drei Teamchefs von der Insel haben ein gemeinsames Problem: Zwei Fahrer im eigenen Team, die entweder schon Weltmeister waren, wie Jenson Button und Lewis Hamilton bei McLaren oder sich derzeit auf WM-Kurs befinden. Bei Ferrari ist WM-Spitzenreiter Fernando Alonso die unumstrittene Nummer-Eins-Fahrer, Felipe Massa ist (noch) dabei, mehr nicht.

Brawn vertraut der Vernunft seiner beiden Piloten Schumacher und Nico Rosberg, wenn es soweit kommt, dass der eine dem anderen auf dem Weg zum Titel helfen könnte. Horner erlebt gerade die Wiederauflage des Teamduells von 2010 - Doppelweltmeister Sebastian Vettel und Webber sind punktgleich WM-Zweiter und -Dritter. „Es ist doch gut, überhaupt so ein Problem zu haben“, meinte Webber zum stallinternen Kampf.

Horner ließ seinen Piloten stets freie Fahrt - abgesegnet von Mateschitz. Vettel gewann so 2010 zum ersten Mal die WM. Domenicali erlebte damals den Alptraum von Abu Dhabi, als Alonso im Finale den sicher geglaubten Triumph durch eine taktische Anfängerleistung herschenkte. Der Teamchef der Scuderia überstand die Phase, obwohl der allmächtige Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo in Maranello zürnte. Ob Domenicali auch über diese Erfahrungen schon mit Amtskollege Whitmarsh gesprochen hat, ist übrigens nicht überliefert.