Ecclestone vor den Trümmern seines Lebenswerks?

Berlin (dpa) - Wenn ein Unternehmen mit Milliarden-Umsatz plötzlich ohne Geschäftsführer dasteht, ist die Not schon groß. Wenn der Geschäftsführer Bernie Ecclestone heißt und das Unternehmen die Formel 1 ist, wirft das viele brisante Fragen auf.

Wie geht es nach der Anklage gegen Ecclestone mit der Königsklasse des Motorsports weiter, und wie geht es mit dem 82 Jahre alten Briten weiter? Der Kampf um Macht und Kontrolle könnte die Formel 1 spalten.

Was bedeutet Ecclestone für die Formel?

Bernie Ecclestone ist seit über drei Jahrzehnten Mister Formel 1. Er kaufte Ende der 1970er Jahre die TV- und Vermarktungsrechte und machte die Rennserie zum weltweit operierenden Geschäft. Er segnet selbst die VIP-Pässe ab und hat stets ein waches Auge auf sein Fahrerlager. Ecclestone machte sich zum Milliardär und die Formel 1 zum Milliardengeschäft. Der Stratege baute dabei ein kompliziertes Unternehmensgeflecht auf. Als die Königsklasse vor rund sieben Jahren verkauft wurde, ließ er sich vom neuen Besitzer, dem Investmentunternehmen CVC, als Geschäftsführer einsetzen.

Ist die Formel 1 ohne Ecclestone etwa handlungsunfähig?

Nein. Auch wenn Ecclestone als der Herrscher gilt, ist er de facto „nur“ als Geschäftsführer von Besitzer CVC eingesetzt. Capital Partners ist ein Investmentunternehmen, das sich nun noch mehr Gedanken um eine möglicherweise notwendige Nachfolgeregelung machen muss. Medienberichten zufolge soll bereits eine Headhunter-Firma mit einem entsprechenden Auftrag auf die Suche geschickt worden sein. Denkbar ist, dass vorläufig CVC-Chef Donald MacKenzie die Amtsführung übernimmt. Allerdings könnten auch die Teams selbst die Chance nutzen wollen, mehr Macht und Mitspracherecht für sich zu reklamieren.

Welche dringenden Fragen gibt es derzeit zu klären?

Allen voran das neue Concorde Agreement. Noch immer haben sich die Teams mit dem Vermarkter sowie dem Internationalen Automobilverband FIA als zuständige Regelbehörde nicht auf eine neue Formel-1-Verfassung geeinigt. Dabei ist sie von immenser Bedeutung: Darin wird vor allem die Verteilung der Einnahme-Gelder geregelt.

Zudem ist noch offen, wie der Rennkalender 2014 aussehen wird: Das bereits einmal verschobene Debüt in New Jersey ist weiterhin nicht gesichert. Neu hinzukommen soll ein Rennen in Sotschi, aber auch an der russischen Schwarzmeerküste ist die Strecke noch nicht fertig. Einige weitere Streckenbetreiber haben große finanzielle Schwierigkeiten.

Hat es Auswirkungen auf die Zukunft des Nürburgrings als Formel-1-Strecke?

Der Vertrag, der in diesem Jahr das Rennen garantierte, war ein „Unikat“, sprich nur für diese Saison gültig. Im kommenden Jahr ist der Hockenheimring an der Reihe. Erst 2015 wäre der Kurs in der Eifel wegen des jährlichen Wechsels der beiden Strecken wieder Teil des Rennkalenders. Ecclestone hatte vor dem Heimrennen zwar zunächst einen möglichen Kauf des Nürburgrings nicht ausgeschlossen, war dann aber binnen 24 Stunden zu der Erkenntnis gekommen, dass das nicht infrage kommt. Als möglicher Käufer gilt indes der ADAC. Und der müsste sich dann mit den entsprechenden Formel-1-Verantwortlichen über neue Verträge für ein Formel-1-Rennen einigen. Ecclestone war dem Kurs in diesem Jahr allerdings entgegengekommen.

Was bedeutet die neueste Entwicklung für Teams, Hersteller, Sponsoren und auch TV-Anstalten?

Erst einmal nichts Gutes. Schlagzeilen von einer Anklage gegen einen Vertragspartner - sei es in diesem Fall auch nur die Person Ecclestone und nicht das Unternehmen CVC - sieht kein Sponsor gern. Zudem haben die meisten Firmen mittlerweile Compliance-Richtlinien für saubere Unternehmensführung. So wie der deutsche Autobauer Daimler, der mit seiner Marke Mercedes in der Formel 1 vertreten ist. „Daimler duldet keine unmoralischen oder korrupten Praktiken durch Mitarbeiter oder seitens der Geschäftspartner“, heißt es in den betriebseigenen Statuten. Das lässt wenig Freiraum zu Interpretationen.

Was bedeutet die Anklage für Ecclestone persönlich?

Er hat schon für einige Skandale und Skandälchen gesorgt. Vor allem verbal hat sich der Brite hier und da schon ordentliche Ausrutscher geleistet. Auch sein Führungsstil missfiel vielen in der Formel 1. Doch opponieren wollte niemand gegen den mächtigen Briten. Nun aber ist sein Lebenswerk auf jeden Fall stark beschädigt. Mit 82 Jahren steht Ecclestone, in dritter Ehe verheiratet und Vater dreier Töchter, vor den Trümmern seines beruflichen Schaffens.