Formel 1 vor 30 Jahren erstmals im Ostblock

Budapest (dpa) - Die kurvige Straße zum Haupttor des Hungarorings erinnert an einen historischen Deal. „Bernie Avenue“ heißt der Zufahrtsweg, den die Ungarn nach dem Mann benannt haben, der vor 30 Jahren die Formel 1 zum ersten Mal in den Ostblock schickte.

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1986 gab Bernie Ecclestone mit seinem PS-Zirkus, der noch heute ein Inbegriff des genussfreudigen Kapitalismus ist, ein erfolgreiches Debüt hinter dem Eisernen Vorhang - und das mitten im Kalten Krieg.

Geschäftemacher Ecclestone hatte damit sein Ziel erreicht. Zuvor war er mit dem Versuch gescheitert, einen Grand Prix in Moskau oder Prag zu etablieren. In der „fröhlichsten Baracke“ des sozialistischen Lagers, dem damals relativ liberalen Ungarn, fand die Formel 1 indes einen Gastgeber, der sich bis heute durch den Wandel der Zeiten hindurch das teure Vollgas-Spektakel leistet. Weit über 30 Millionen US-Dollar knöpft Ecclestone inzwischen den ungarischen Veranstaltern ab. Für den Staat bleibt das Rennen ein Zuschussgeschäft.

Die Motive für die Vertragstreue der Ungarn sind ähnlich wie beim Debüt vor 30 Jahren. Es geht ums Prestige, um einen Beweis der Bedeutsamkeit Ungarns, aber auch um zusätzliche Umsätze für den Tourismus und die regionalen Unternehmen. Dafür nimmt die öffentliche Hand ein Minus in zweistelliger Dollar-Millionenhöhe in Kauf.

Mit einem Kraftakt in Rekordzeit wurde einst der Hungaroring als erste ganz nach den Wünschen der Formel 1 entworfene Rennstrecke der Welt in die Hügel von Mogyorod gebaut. „Ich kann vor den Ungarn nur meinen Hut ziehen. Was die in neun Monaten geleistet haben, ist unvorstellbar. Man merkt gar nicht, dass wir im Osten sind“, sagte der frühere Weltmeister Keke Rosberg 1986 nach seinen ersten Aufwärmrunden. 30 Jahre später startet Sohn Nico am Sonntag als WM-Führender in die nächste Auflage des Ungarn-Rennens.

Der verwitterte Sichtbeton des Boxengebäudes versprüht noch immer den plumpen Charme sozialistischer Architektur. „Ich mag diese alten Strecken. Sie haben Charakter, so wie ein altes Haus“, sagte der dreimalige Weltmeister Lewis Hamilton vor den ersten Trainingsfahrten am Freitag.

Bei der Premiere strömten damals allein am Renn-Sonntag 200 000 Zuschauer auf die Naturtribünen rund um den Kurs und sahen den Sieg von Nelson Piquet nach einem rundenlangen Duell mit Ayrton Senna. Zehntausende der Fans kamen aus der DDR, obwohl die dortigen Behörden den Verkauf von Eintrittskarten strikt abgelehnt hatten. „Bei uns hat keiner Interesse“, ließen die Mächtigen in Ostdeutschland offiziell verlauten - und irrten sich gewaltig.

Viele Motorsport-Begeisterte machten sich aus der DDR auf den Weg nach Budapest, obwohl dieses Abenteuer so manchen ein doppeltes Monatsgehalt kostete. Allein der Preis für Eintrittskarten verschlang den damals höchstzulässigen Umtauschbetrag für DDR-Bürger. So schliefen viele der Fans im Trabi oder Lada nahe der Strecke, brachten Lebensmittel aus der Heimat mit oder sparten sich das Benzin durch einen vorab eingebauten Zusatztank im Wartburg.

30 Jahre später ist die Begeisterung der Fans auch beim Ungarn-Gastspiel spürbar abgeflaut. Die Besucherzahlen sind rückläufig, knapp 70 000 werden am Sonntag erwartet. Die Krise des Grand-Prix-Gewerbes bekommt sogar die Sex-Industrie zu spüren. „Das Formel-1-Rennen ist für die ungarischen Prostituierten kein großer Hit mehr“, hieß es schon im Vorjahr von einer Interessenvertretung.

Bernie Ecclestone aber hat weiter seine Freude an dem Geschäft, das einst Geschichte schrieb. Im vorerst letzten Vertragsjahr 2021 wird der Formel-1-Vermarkter mehr als 51 Millionen Dollar von den Ungarn kassieren.