Hintergrund: Die Akteure bei der „Testgate“-Affäre
Paris (dpa) - Die neu formierte Mercedes-Mannschaft steht vor einer schweren Prüfung. Die Silberpfeile um Motorsportchef Toto Wolff beharren auf ihrer Unschuld. Die Rivalen fordern im „Testgate“ der Formel 1 Strafen.
Oder hat womöglich die FIA selbst vorher Grünes Licht gegeben? Das Internationale Tribunal muss am Donnerstag in Paris entscheiden. Welche Rolle spielen Wolff, Teamaufsichtsratschef Niki Lauda, FIA-Rennleiter Charlie Whiting oder auch Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko?
NIKI LAUDA: Seit dieser Saison Teamaufsichtsrat. Er wird nach aktueller Planung nicht bei der Anhörung in Paris sein. Lauda, selbst dreimaliger Weltmeister, hatte mit seiner scharfen Kritik an den Reifen den Druck auf Hersteller Pirelli auch erhöht. Der 64 Jahre alte Österreicher musste in seiner Doppelfunktion als oberster Rennstall-Aufseher und TV-Experte direkt nach Bekanntwerden des Skandals Rede und Antwort stehen. Er wetterte zuletzt: „Red Bull ist ganz vorne mit dabei, Mercedes einen Strick zu drehen.“ Lauda versichert zudem: „Mercedes hat sich abgesichert und die Erlaubnis bekommen, mit dem 2013er Auto zu testen. Beim Tribunal wird sich zeigen, wer recht hat.“
TOTO WOLFF: Der neue Mercedes-Motorsportchef ist wie Lauda einer, der Klartext redet. Als die Testrunden den souveränen Sieg von Nico Rosberg beim Klassiker in Monte Carlo in den Hintergrund zu stellen drohten, echauffierte sich der Team-Teilhaber darüber. In Kanada legte der 41 Jahre alte Lauda-Landsmann in Richtung der polternden Rivalen nach: „Die meisten derjenigen, die am lautesten schreien, kennen die Fakten nicht.“ Wolff beteuerte schon in Monaco, dass bei den Tests auch nichts geheim gewesen sei.
ROSS BRAWN: Der Teamchef - noch, vermuten manche. Allerdings taten sie dies auch schon, bevor die Reifentestaffäre ins Rollen kam. Denn in Paddy Lowe holte MercedesAMG jüngst einen mehr als nur renommierten Ingenieur von McLaren. Zumindest denkbar ist, dass er Brawn nach dieser Saison ablösen könnte. „Wir vertrauen dem Tribunal“, sagte Brawn derweil mit Blick auf ein Urteil der unabhängigen Richter. Der 58-Jährige aus Manchester, dessen Name über Jahrzehnte hinweg Synonym für Erfolg war und für acht Fahrer- und acht Konstrukteurstitel ebenso steht wie für seine ausgebufften Innovationen, wird das Team neben den Anwälten vertreten.
NICO ROSBERG/LEWIS HAMILTON: Die beiden Fahrer. Sie hatten die 1000 Kilometer langen Tests bestritten. Aus Schutz vor Fans trugen sie neutrale Helme, erklärte das Team. Beide haben nur ihren Job gemacht. Allerdings stellt sich auch die Frage: Warum hat Mercedes nicht einen Testpiloten auf die Strecke geschickt, wenn die Runden dem Team überhaupt nichts bringen?
PAUL HEMBERY: Der Motorsportchef von Pirelli. Er musste vom ersten Rennen an die Kritik einstecken, weil die Reifen nach Meinung vor allem von Red Bull, aber auch von Mercedes einfach zu empfindlich seien. Er scheut normalerweise nicht die Kameras oder die Konfrontation. Bei einer Pk zuletzt in Kanada blieb er auf Anraten der Anwälte des italienischen Exklusiv-Herstellers fern. Der Ausrüster hat sich von der FIA zusätzliche Tests zusichern lassen, allerdings müssen alle dazu eingeladen werden. Eine solche generelle Einladung gab es in der vergangenen Saison. Diesmal fragte Pirelli gezielt bei einzelnen Teams an, allen voran bei denen, die mit den Gummis haderten.
JEAN TODT: Seit dem 3. Oktober 2009 Präsident des Internationalen Automobilverbandes FIA. Laut Verbandsmitteilung entschied er, den Fall an das Internationale Tribunal weiterzuleiten. Er beschloss demnach auch, die Akte Ferrari zu schließen, nachdem die Scuderia mit einem älteren Modell und auch nicht mit seinen beiden Top-Piloten ebenfalls alleine auf dem Circuit de Catalunya Reifen für Pirelli getestet hatte. Vor seinem Wechsel zur FIA hatte der mittlerweile 67-Jährige mit den „Roten“ als Teammanager, Direktor und Geschäftsführer insgesamt 98 Grand-Prix-Siege und 13 WM-Titel geholt.
CHARLIE WHITING: Als Rennleiter der Formel 1 eigentlich eine Institution. Seit 1997 auf diesem verantwortungsvollen Posten. Der Brite soll es gewesen sein, der im Beisein von Fahrern am Samstag vor dem Rennen in Monaco von den Mercedes-Tests berichtet haben soll. Er soll es auch sein, der Mercedes versichert hat, dass diese Extra-Runden rechtens seien.
HELMUT MARKO: Der Polterer von Red Bull. Landsmann von Lauda. Guter Freund und Förderer von Sebastian Vettel. Er heizte die Diskussion um die Rechtmäßigkeit des Mercedes-Tests mit seinen scharfen Worten nur noch mehr an. Marko verglich den Vorfall sogar mit der Spionage-Affäre von 2007, als ein McLaren-Angestellter vertrauliche Akten von einem Ferrari-Mitarbeiter bekommen hatte. McLaren-Mercedes wurde damals zur Rekordstrafe von 100 Millionen Dollar verurteilt. Nun sagte Marko: „Wenn dieser Test ohne Konsequenzen durchgewinkt wird, würden alle Verhandlungen über Kostenbegrenzung über Bord gehen. Das wäre die Öffnung von Pandoras Büchse, die wir dann kaum jemals wieder schließen könnten.“