Kritik am „Kannibalen“ - „Bürgerkrieg“ bei Red Bull
Berlin (dpa) - Der Blick in die Montagszeitungen dürfte Sebastian Vettel die Tragweite seines Sündenfalls beim Großen Preis von Malaysia noch einmal schmerzhaft klargemacht haben.
Nicht einmal aus der österreichischen Heimat seines Red-Bull-Rennstalls hatte er Löbliches für sein unrühmliches und rufschädigendes Manöver gegen den gedemütigten Formel-1-Teamkollegen Mark Webber zu erwarten. „Der Weltmeister überholt ins Abseits“, titelte am Montag der „Kurier“. „Sehen so Sieger aus?“, fragte die „Kronen Zeitung“.
Von seinem Siegerstrahlen war bei Vettel nach seinem 27. Karriereerfolg nichts zu sehen. Webbers Gesicht daneben sprach ebenfalls Bände. „Selten hat man solche Spannungen auf einem Podium gesehen, außer vielleicht in der großen Epoche der Duelle zwischen Prost und Senna“, erinnerte die französische Sportzeitung „L'Équipe“ an die knüppelharten Zweikämpfe zwischen den Formel-1-Ikonen Alain Prost und Ayrton Senna.
Vettels Ruf hat schwere Schäden davongetragen. Der Strahlemann, der zwar schon seinen Kern als knallharter Gewinnertyp offenbarte, überschritt eine Grenze: Er widersetzte sich den Anweisungen seines Teams. „Sebastian Vettel lässt seine Maske fallen“, meinte die renommierte Londoner „Times“: „Vettel zeigte eine Seite seines Charakters, die sich über das knuddelige, fröhliche Image des jüngsten Dreifach-Weltmeisters hinwegsetzte.“ Für die italienische Zeitung „La Stampa“ ist Vettel „der Kannibale“, für die Kollegen des „Corriere dello Sport“ der „Rowdy“.
Erinnerungen an den Rekordweltmeister der Königsklasse wurden bei vielen wach. „Wandelt der Dreifach-Weltmeister nun endgültig auf den Spuren seines Kindheitsidols Michael Schumacher, dem man einst den Beinamen "Schummel-Schumi" verpasst hatte?“, fragte der österreichische „Kurier“.
Aus Solidarität mit Landsmann Webber und dessen Anhängern zahlte unterdessen ein Wettanbieter in Australien all denen, die Geld auf einen Sieg des 36-Jährigen gesetzt hatten, ihre Dollars wieder zurück. „Es ist ja nicht Marks Fehler, dass sich Sebastian nicht an einfache Anweisungen halten kann“, sagte Haydn Lane von sportsbet.com.au.
Mit dem Ignorieren der Teamanweisung löste Vettel auch eine Diskussion aus, wer bei Red Bull eigentlich das Sagen hat. „Dieser Vorfall hat einen Bürgerkrieg bei Red Bull wiedereröffnet“, meinte der „Guardian“. „Die Waffenruhe ist vorbei“, befand „The Independent“.
Ex-Weltmeister Nigel Mansell aus Großbritannien bezeichnete den Rennausgang via Twitter als „große Schande“. Und selbst Formel-1-Fremde waren mehr als nur irritiert, zumal der viertplatzierte Nico Rosberg auf Forderung seines Teams den drittplatzierten, aber langsameren Mercedes-Stallrivalen Lewis Hamilton nicht überholen durfte. „Ich schaue nicht viel Formel 1, aber was ist in dem Sport los?“, frage der 89-malige englische Fußball-Nationalspieler Michael Owen am Montag via Twitter. „Fahrer, die gesagt bekommen, dass sie nicht überholen sollen, andere Fahrer, die gegen die Teamanordnungen verstoßen, etc.“, schrieb Owen.