Lewis Hamilton: „Superman war mein Favorit“
Sotschi (dpa) - Lewis Hamilton weiß seinen Status als Formel-1-Pilot zu schätzen. Ein zweiter WM-Titel nach 2008 würde aber noch mal einen „Unterschied in meinem Leben ausmachen“, sagte er in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa.
Vor dem Großen Preis von Russland redete der Brite im Fahrerlager von Sotschi auch über die Faszination Superman, als er noch ein Kind war, über Teamgeist und darüber, dass er sich mit einer möglichen WM-Niederlage im Moment nicht auseinandersetzt.
Der ehemalige Formel-1-Pilot David Coulthard hat jüngst über Sie gesagt, wenn Sie den Helm abnehmen, würden Sie von Superman zu Clark Kent. Sehen Sie das auch so?
Lewis Hamilton:Das ist ganz lustig, ich bin mal gefragt worden, wer ich gern geworden wäre, als ich jünger war. Und ich hab gesagt: Das erste, was ich als Kind werden wollte, war Superman. Superman war mein Favorit.
Warum gerade Superman?
Hamilton:Er kann alles. Er kann fliegen, er ist so stark. Er ist einfach ein Held. Als Christopher Reeve starb, der ihn früher gespielt hatte, war ich so am Boden zerstört. Er war Superman für mich. In einem Punkt sind wir ihm als Formel-1-Piloten ähnlich: Wir können auch Sachen tun, die andere nicht machen können. Das ist etwas Einzigartiges. Es gibt nur wenige, die es machen können, und wenn du im Auto bist, fühlst du dich besonders. Wenn du aussteigst, bist du einfach wieder nur du.
Würde ein WM-Titel daran etwas ändern?
Hamilton:Es würde einen Unterschied in meinem Leben ausmachen. Darauf arbeite ich seit sehr, sehr langer Zeit hin. Ich hoffe aber auch, dass - egal was passiert - mein Jahr generell hilft, andere zu inspirieren. Ich lebe diesen Traum für so viele in der Welt.
Was ist der Unterschied zwischen Ihnen und denen, die immer nur versuchen zu gewinnen?
Hamilton:Ich weiß nicht. Wir sind alle auf unsere Art unterschiedlich. Ich fahre einfach so schnell, wie ich kann.
Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, wie es wäre, den WM-Kampf in diesem Jahr zu verlieren?
Hamilton:Ich denke nie über das nächste Wochenende hinaus.
Ist verlieren generell keine Option in ihrem Leben?
Hamilton:Verlieren ist Teil der Evolution. Es ist ein Teil der Reise. Es ist Teil der Erfahrung. Was mich stark macht heute, ist, dass ich verloren habe. Es hat mich hungrig gemacht.
Trifft das auch auf das intensive Teamduell 2007 mit Fernando Alonso im McLaren zu?
Hamilton:Jedes Jahr, jede Erfahrung macht dich stärker. Die guten und die schlechten. Erfahrungen, die deinen Charakter bilden. Es war eine großartige Erfahrung. Auch wenn ich mich gar nicht mehr an soviel erinnern kann.
Was ist der Unterschied zwischen dem damaligen Duell mit Alonso und dem jetzigen mit Nico Rosberg?
Hamilton:Es gibt nur einen Unterschied. Ich war jünger, ich war nicht so reif. Ich hatte nicht das Wissen, das ich jetzt habe.
Können Sie diesen Prozess noch näher beschreiben?
Hamilton:Ich bin einfach älter, acht Jahre. Mit Fernando war es mein erstes Jahr in der Formel 1. Ich hatte nicht viele Rennen in der Formel 1, hatte nicht viele Boxenstopps. Ich hatte nicht gelernt, wie es ist, mit einem Team von 1000 Leuten zu arbeiten, ich stand vorher nicht vor so vielen Kameras.
Wie wichtig ist Teamgeist in der Formel 1 und für Sie?
Hamilton:Teamspirit ist etwas Großes. Es ist eine große Energie. Die echten Helden sind im Hintergrund. Die, die zum Beispiel das Auto bauen. Die, die man nicht sieht und nicht bemerkt.
Haben Sie das Gefühl, das Sie auch Ihrer Familie und speziell Ihrem Vater etwas zurückgeben müssen, der sie so stark unterstützt hat?
Hamilton:Ich habe nicht das Gefühl, dass ich meiner Familie etwas zurückgeben müsste. Sie haben ihr gesamtes Leben dem gewidmet, das ich jetzt hier sitze. Was du zurückgibst, ist Respekt, ist, sie stolz zu machen. Die Erfahrungen zu teilen und mehr davon zu erleben.
Helfen Ihre beiden Hunde, von der Formel 1 abzuschalten, und was macht sie so besonders für Sie?
Hamilton:Ich liebe Tiere. Sie sind ein kleiner Teil von vielen, Familie, Freunde. Es gibt aber nichts wie eine Hundeliebe. Die ist bedingungslos. Das ist wie die Liebe einer Familie.
Empfinden Sie aus sportlicher Sicht sowas wie Mitleid mit anderen Fahrern?
Hamilton:Ich denke nie über die Ergebnisse von anderen Fahrern nach. Ich steige ins Auto und fahre. Wir sind alle hier, um für das Team und für sich selbst zu gewinnen.
Sie wirken sehr ausbalanciert, sehr ruhig und sehr fokussiert. Könnten Sie glücklich sein, wenn Sie am 23. November nicht als neuer Weltmeister feststehen?
Hamilton:Noch einmal, ich denke nicht über dieses Wochenende hinaus. Es gibt noch vier Rennen und ich werde weiterhin noch härter arbeiten. Aber was passiert, passiert.
ZUR PERSON:Lewis Hamilton führt die Wertung in der aktuellen Formel-1-Saison an. Der Brite gewann acht der bisher 15 Rennen 2014. Der 29-Jährige war 2007 in die Formel 1 eingestiegen, 2008 krönte sich Hamilton zum Weltmeister. Seitdem wartet er auf den nächsten Titel. Zur Saison 2013 wechselte er von McLaren zu Mercedes.