Mercedes-Hoffnung gedeiht mitten in England

Silverstone (dpa) - Die zarte Hoffnung auf eine bessere Formel-1-Zukunft der deutschen Silberpfeile gedeiht tief in der englischen Provinz. Zehn Kilometer westlich der Rennstrecke von Silverstone suchen 450 Mercedes-Mitarbeiter nach Lösungen für die anhaltenden Probleme des schwäbischen Werksteams.

„Es ist keine Magie, an die Spitze zu kommen. Es geht um Timing, konstante Entwicklung, Motivation und harte Arbeit“, erklärt Michael Schumacher vor dem Großen Preis von Großbritannien.Wegen der Nähe zur Rennfabrik in Brackley empfindet Mercedes den Grand Prix in Silverstone als eines seiner beiden Heimrennen, bevor es in zwei Wochen zum Großen Preis von Deutschland an den Nürburgring geht.

Schon Tradition hat die Grillparty nach dem England-Rennen für die Mercedes-Belegschaft und ihre Familien. Ob es diesmal endlich wieder etwas zu feiern gibt? „Es wäre toll, zur Homebase zu kommen und etwas in den Händen zu haben“, meint Rekordchampion Schumacher.

Seine einzige Hoffnung für den neunten Saisonlauf am Sonntag ist allerdings das Wetter. Zu unterlegen war bislang das Mercedes-Modell MGP W02. „Nur bei Regen haben wir eine Chance auf das Podium“, bekennt der WM-Zehnte Schumacher.

Das soll sich ändern. Spätestens 2012. „Ich sehe, wo die Reise hingeht, das Team wird Erfolg haben. Punkt“, verkündet Stallrivale Rosberg selbstbewusst. Als Grund dafür hat der Wiesbadener eine Personalie ausgemacht: Seit Anfang April arbeitet Robert „Bob“ Bell als Technischer Direktor für den Mythos Mercedes. „Er bringt sich so gut ein, dass das Team insgesamt besser funktioniert“, beurteilt Rosberg die bisherige Arbeit des 53 Jahre alten Nordiren, der 2005 und 2006 als Technischer Direktor bei Renault mitverantwortlich für die beiden WM-Titel von Fernando Alonso war.

Zurückhaltend, fast schüchtern führt Hoffnungsträger Bell durch die Formel-1-Außenstelle des Stuttgarter Autobauers in Mittel-England, zeigt den Arbeitsplatz von 70 bis 80 Designern, die - jeder für sich - einen Teil des Autos am Computer planen. „Sie können nicht mehr Ingenieure an einem Teil zusammenarbeiten lassen. Das gäbe Ärger“, berichtet Bell. Er selbst dagegen ist ein Teamplayer, führt die Arbeit aller zusammen und entlastet „Superhirn“ Ross Brawn, der zuvor Team-Verantwortlicher und Technischer Direktor in Personalunion war.

Penibel überwacht Bell die Präzisionsarbeit in Brackley, wo unter anderem Arbeiter in weißen Kitteln in laborähnlicher Atmosphäre Carbonfasern herstellen, die im Gesamtpaket die Autos schneller machen sollen. „Wenn man in diesem Geschäft ein Prozent danebenliegt, liegt man schon extrem daneben“, sagt Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug über die Bedeutung der Arbeit in Brackley. Während in Brixworth die Formel-1-Motoren entstehen, koordiniert Bell gut 40 Kilometer südlich die Wissenschaft des übrigen Auto-Konstrukts.

Bell ist aber nur ein Mosaikstein im Konzept von Mercedes, das seit dem Comeback als Werksteam im Vorjahr immer noch auf den ersten Sieg wartet und die Erwartungen bisher oft enttäuschte. „Das Team muss erst aufgebaut werden. Die anderen, die jetzt vorne stehen, haben auch fünf Jahre Aufbauzeit gebraucht. Wir hoffen, dass es bei uns schneller geht“, sagt Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug.

Spätestens im kommenden Jahr, wenn das erste von Bell hauptverantwortlich entworfene Auto auf die Rennpiste geht, soll der Knoten endlich platzen. „Es gibt gute Gründe, daran zu glauben“, sagt Schumacher. Einer davon heißt Bob Bell.