Mercedes-Piloten im WM-Haltbarkeitspoker

Silverstone (dpa) - Nach dem WM-Adrenalinkick von Silverstone entwickelt sich das Privatduell zwischen Formel-1-Spitzenreiter Nico Rosberg und Stallrivale Lewis Hamilton immer mehr zum Haltbarkeitspoker der Silberpfeile.

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Zweimal kam der Brite in dieser Saison wegen eines technischen Defekts nicht ins Ziel, in Silverstone erwischte es zum ersten Mal seit 17 Rennen den Deutschen. Vor dem zehnten Saisonlauf in zwei Wochen in Deutschland prognostizierte Mercedes-Teamaufsichtsrat Niki Lauda: „Sie sind nur noch vier Punkte auseinander, der Kampf wird härter. Sie belauern sich noch mehr.“

Trotz seines Ausfalls fürchtet Rosberg für die nächsten Rennen kein Zuverlässigkeitsproblem. „Wir sind zuversichtlich, dass wir diese Aspekte im Griff haben. Ich bin nicht besorgt“, beschwichtigte der 29-Jährige, der bis zu seinem Ausrollen in Runde 29 den Grand Prix in Großbritannien fest im Griff hatte. Rosberg sieht die Vorteile im Titelrennen noch immer überwiegend auf seiner Seite: „Ich habe immer noch das Gefühl, dass es bei mir ist.“

Hamilton ist da anderer Ansicht. „Wir ziehen einen Schlussstrich unter die letzten neun Rennen und jetzt gibt's den Angriffsmodus“, formulierte der mittlerweile 27-malige Grand-Prix-Gewinner kämpferisch. Silverstone war für Hamilton nicht nur ein Sieg über seinen Stallrivalen, sondern ein psychologischer Erfolg. Immer mehr Fehler unterliefen dem Mann aus Stevenage zuletzt, viermal in Serie scheiterte er in der Qualifikation an Rosberg.

Nun will Hamilton wieder eine Serie starten. „Dieser großartige Auftritt hat seine mentale Stärke gezeigt“, urteilte Motorsportchef Toto Wolff, der sich nach Rosbergs Nuller auf Spurensuche begab. „Einen Getriebedefekt zu haben, ist ein bisschen ein Schlag, weil man so einen Ausfall im Jahr 2014 nicht erwarten würde. Wir müssen den Blick auf unsere Qualität richten.“

Die ist allerdings weiterhin immens. 158 Punkte fehlen Red Bull als Zweitem in der Konstrukteurswertung auf den Branchenprimus. „Wir können wieder ein bisschen aufatmen. Jetzt sind wir fast wieder beim Melbourne-Stand“, meinte Rosberg zu der zum Auftakt in Australien bewiesenen Dominanz, die sich auch wieder in England in teils beeindruckenden Rundenzeiten niederschlug.

„Ich spüre, dass wir zurück sind“, beteuerte Hamilton nach seinem fünften Saisonerfolg. Für die abgeschlagene Konkurrenz sind das bittere Worte. Weltmeister Sebastian Vettel & Co. bleiben in ihren unterlegenen Autos nur Positionskämpfe, siehe Vettels atemberaubendes Rad-an-Rad-Duell mit Ferrari-Star Fernando Alonso, das die spanische Tageszeitung „El Mundo“ als „spannendes Duell aus lauter Lust und Laune“ bezeichnete: „Beide Rennfahrer, die die Formel 1 ein Jahrzehnt lang dominiert hatten, haben die Saison abgehakt.“

Hamilton wähnt sich indes wie 2008 auf Weltmeisterniveau. „Mein Hunger ist genau so groß wie in jedem anderen Jahr, in dem ich Rennen gefahren bin“, sagte der Brite, den die „Daily Mail“ als „heldenhaft“ bezeichnete. Die internationalen Medien jubelten über die Spannung im WM-Rennen. „Die WM ist wieder offen. Rosberg zerbricht, Hamilton triumphiert und rückt bis auf vier Punkte heran“, schrieb „La Gazzetta dello Sport“ und die „Corriere della Sera“ befand: „Rosberg gestrandet, Hamilton triumphiert. Dieses Mal hält der Mercedes von Nico nicht stand, der bisher unzerstörbar schien.“

Wie eng das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Hamilton und Rosberg ist, zeigt sich vielleicht auch am oft bemühten Einsatz der Vokabel „Energie“ nach dem neunten Grand Prix. Beide Fahrer besitzen Ausnahmetalent, beide Fahrer haben einen in diesem Jahr einen Ausnahmewagen. Da entscheiden minimale Details. Ob auf dem Asphalt oder abseits der Rennstrecke.

„Ich versuche Energie in die Sachen zu stecken, die ich beeinflussen kann und in die Sachen, die ich nicht beeinflussen kann, versuche ich weniger Energie zu stecken“, resümierte Rosberg. „Ich will nicht wie ein Guru klingen“, meinte Wolff schmunzelnd, „aber die Energie könnte bei seinem Heimspiel wieder auf Nicos Seite sein.“ Auch dort gelte aus Sicht der Silberpfeile: „Absoluter Angriff.“

Vor Rosbergs Heimspiel auf dem Hockenheimring konnte sich Hamilton eine klitzekleine Spitze allerdings nicht verkneifen. „Ich weiß, dass er dort nicht mal ein Achtel der Unterstützung hat, wie wir Briten sie hier bekommen“, meinte er. Rosberg vs. Hamilton: ein Poker um die Zuverlässigkeit, aber vor allem auch weiter ein Psychoduell.