Das erneute Machtgerangel in der Formel 1 reicht sogar bis zur Toilette. Saftige 10.000 Euro muss Williams-Fahrer Carlos Sainz berappen, weil er wegen eines dringenden Bedürfnisses zuletzt vor dem Rennen in Japan zu spät zur Nationalhymne erschien. „Es waren nur fünf Sekunden, und dafür dann 10.000 Euro, das geht einfach nicht“, murrte der Spanier vor dem Großen Preis von Bahrain und lenkte den Blick einmal mehr auf die umstrittene Regelungswut des Weltverbands Fia.
Doch das ist längst nicht der einzige Zoff, der sich vor dem Auftritt in Sakhir an der Fia und ihrem Präsidenten entzündet. Mohammed Ben Sulayem, der in Bahrain das erste Mal in dieser Saison an der Strecke erwartet wird, muss im Fahrerlager mit einem unterkühlten Empfang rechnen.
Einer seiner Vizepräsidenten begleitete gerade erst seinen Rücktritt mit Vorwürfen schlechter Amtsführung gegen den Chef. Zudem sorgt Ben Sulayems Vorstoß für eine schnelle Ablösung der für 2026 beschlossenen Motoren-Reform für Unruhe unter Teams und Herstellern.
Fahrer verärgert über Strafen fürs Fluchen
„Die Dinge scheinen sich immer weiter in eine instabile Richtung zu entwickeln“, klagte Mercedes-Pilot George Russell, der die Fahrer-Gewerkschaft anführt. Was immer die Stars des Sports zuletzt auch versucht hätten, sie seien bei der Fia-Spitze nicht durchgedrungen.
Einer der Kritikpunkte der Fahrer ist der von Ben Sulayem verschärfte Strafenkatalog, der unter anderem das Fluchen sanktioniert. Die Piloten fühlen sich von der Fia gegängelt. „Dass wir überhaupt solche Strafen zahlen müssen, ist für mich fragwürdig“, sagte Sainz und bemängelte die fehlende Klarheit, wofür die Bußgelder von der Fia überhaupt verwendet werden.
Mangelnde Transparenz und autokratische Züge - so charakterisieren auch einige Top-Funktionäre die Politik Ben Sulayems. Eine Reihe von Spitzenkräften verließ zuletzt verärgert den Weltverband oder wurde vom Fia-Chef aus dem Amt gedrängt. Für Wirbel sorgte kurz vor dem Bahrain-Gastspiel der plötzliche Abschied von Robert Reid als für den Sport zuständiger Fia-Vizepräsident.
„Mit der Zeit habe ich eine stetige Erosion der Prinzipien beobachtet, die wir zu wahren versprochen hatten“, erklärte der Schotte seinen Schritt. Zu viele Entscheidungen seien hinter verschlossenen Türen und ohne die erforderliche Mitsprache getroffen worden. Die Fia wies das zurück und verwies auf ihre „außergewöhnlich soliden Richtlinien“.
Motoren-Debatte zur Unzeit
In seinem Verband hat der frühere Rallyepilot Ben Sulayem seine Position auch durch Statutenänderungen zementiert. Eine Wiederwahl des 63-Jährigen aus Dubai Ende des Jahres gilt als wahrscheinlich, einen Gegenkandidaten gibt es bislang nicht.
An anderer Stelle aber steuert der Fia-Präsident auf eine Schlappe zu. Sein Vorstoß für eine baldige Rückkehr zu dröhnenden Zehnzylinder-Motoren dürfte am Widerstand einiger Hersteller scheitern. Es scheint ohnehin wie eine Debatte zur Unzeit. Im kommenden Jahr will die Formel 1 in eine neue Ära mit Antrieben starten, die für die Zukunftsfähigkeit der Rennserie stehen sollen.
Der Umstieg auf Turbo-Sechszylinder, die zur Hälfte mit elektrischer Energie arbeiten und ansonsten nachhaltige Kraftstoffe verbrennen, gilt als Signal auch an die Autoindustrie. Audi entschied sich wegen der neuen Motorenformel für den Einstieg, Honda überdachte seinen Rückzug und will doch bleiben. Das Reglement ist festgezurrt, alle Motorenbauer investieren hohe Millionenbeträge für die Entwicklung der neuen Triebwerke.
Machtkampf gärt schon lange
Dass Ben Sulayem nun plötzlich laut darüber nachdenkt, schon bald wieder das Regelwerk zu ändern und die zuletzt vor 20 Jahren genutzten Zehnzylinder zurückzubringen, wirkt eher seltsam. Bei seinem Besuch in Bahrain will der Verbandschef für seinen Vorschlag werben. „Wir müssen auch bei den zukünftigen technologischen Trends im Motorsport die Nase vorn haben“, erklärte Ben Sulayem.
Audi und Honda haben aber schon Ablehnung signalisiert, auch Mercedes ist wohl dagegen. Schnell aufgeben dürfte der Fia-Chef jedoch nicht. Abseits der Rennstrecken gärt schon lange ein Kampf um Macht und Einfluss zwischen ihm, den Teams und den Formel-1-Besitzern Liberty Media. Die Tage von Bahrain werden nicht die letzte Episode des Kräftemessens sein.
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