Charaktertest Shanghai statt Supermarkt: Alonsos Dauerfrust
Shanghai (dpa) - Zuneigungsbekundungen an McLaren kommen Fernando Alonso nach den Dauerenttäuschungen mit seinem Formel-1-Rennstall nicht mehr über die Lippen.
Der permanent gefrustete zweimalige Weltmeister wies vor dem zweiten Saisonrennen in China jedoch immerhin wilde Gerüchte über einen vorzeitigen Abschied vom englischen Traditionsrennstall zurück.
„Das Team ist derzeit nicht wettbewerbsfähig, das ist auch nichts, was wir über Nacht hinbekommen können“, räumte der Spitzenfahrer aus Oviedo schonungslos ein, ehe er in Shanghai mit herbem Charme feststellte: „Ich bin lieber hier als im Supermarkt in meiner Heimatstadt.“
Die Probleme von McLaren mit Motorenpartner Honda nagen an Alonso, der 2005 und 2006 mit Renault Weltmeister wurde. Seitdem jagt der Spanier, der zudem noch dreimal WM-Zweiter war, seinem dritten Titel hinterher. In seiner 16. Formel-1-Saison wird daraus aber ganz sicher wieder nichts. So viel steht schon einmal nach dem Auftaktrennen fest. „Es ist enttäuschend, nicht mehr Meisterschaften zu haben“, räumte der 35-Jährige ein, der am Freitagnachmittag wegen dichten Nebels wie auch seine Konkurrenten zum Nichtstun verdammt war.
McLaren und Honda wollten im dritten gemeinsamen Jahr seit der Wiederauffrischung ihrer Partnerschaft ganz oben angreifen. Der japanische Antrieb ist aber viel zu schwach. „Es liegt nicht nur an der Leistung, es sind ganz viele Sachen“, sagte Alonso und meinte ferner die Zuverlässigkeit und das Spritmanagement. „Es wird für uns schwer in diesem Jahr, wenn der Motor keine Fortschritte macht.“
Für Honda artet die Rückkehr in die Formel 1 in ein Fiasko aus. Die Königsklasse des Motorsports erweist sich als Bühne der Bloßstellung. Honda-Rennleiter Yusuke Hasegawa räumte bereits ein, dass man sich den nächsten Entwicklungsschritt „zu einfach“ vorgestellt habe.
McLaren selbst prüfte längst Alternativen wie seinen früheren Lieferanten Mercedes. Eine kurzfristige Trennung von Honda ist jedoch wegen der millionenschweren Zuwendungen der Japaner kaum realistisch. Der neue McLaren-Geschäftsführer Zak Brown bekräftigte am Rande des China-Rennens lieber mal die Zusammenarbeit mit Honda.
Alonso bleibt nur die Überzeugung von den eigenen Fähigkeiten. „In der Formel 1 liefere ich mein Bestes, ich bin besser vorbereitet denn je“, beteuerte der 32-malige Grand-Prix-Sieger. Das Ausnahmetalent kann man ihm nicht absprechen. Fuhr Alonso in Melbourne bis zu seinem Ausfall noch lange um Platz zehn mit, könnte Shanghai aber einen neuen Tiefpunkt liefern. „Die langen Geraden dürften unsere Schwächen offenlegen“, prognostizierte McLaren-Renndirektor Eric Boullier.
Alonso bleibt - je nach Sichtweise - nur das Lob oder Mitleid der Konkurrenten. Mercedes-Mann Lewis Hamilton, der sich mit dem Spanier 2007 bei McLaren einen bitterbösen Zweikampf lieferte, überschüttet seinen einstigen Stallrivalen mit Huldigungen. „Wenn Fernando ein wettbewerbsfähiges Auto hätte, würde er auf jeden Fall vorne mitfahren“, sagte der dreimalige Weltmeister.
Fast scheint es so, als würde sich Hamilton die Wiederauflage mit Alonso in einem Rennstall wünschen. „Ich schließe für die Zukunft nichts aus“, ließ der Spanier wissen, dessen Vertrag bei McLaren ausläuft. Das Lob an Hamilton gab Alonso auch schon mal artig zurück. „Ich habe großen Respekt vor ihm“, beteuerte er. „Wir mögen es, uns im Wettbewerb zu messen und die Besten zu schlagen.“ Bis es wieder soweit sein könnte, muss Alonso aber viel Geduld beweisen.