Vettel besiegt Kanada-Fluch: „Endlich abgehakt“
Montréal (dpa) - Sebastian Vettel reckte die Faust nach oben und knutschte erstmal den Siegerpokal. Der Red-Bull-Star hat mit einem souveränen Start-Ziel-Sieg seinen Kanada-Fluch bezwungen.
„Das war ein großartiges Rennen. Endlich haben wir den abgehakt“, sagte Vettel bei der ausgelassenen Champagner-Dusche auf dem Podest zum Großen Preis in Montréal; den geplanten Besuch beim Rolling-Stones-Konzert hatte sich Vettel redlich verdient.
Der dreimalige Formel-1-Weltmeister verwies nach seiner dritten Pole Position in Serie in der ehemaligen Olympia-Stadt Fernando Alonso im Ferrari und Lewis Hamilton im Mercedes auf die Plätze zwei und drei. Vettel-Kollege Mark Webber reihte sich auf dem vierten Rang ein. Monaco-Sieger Nico Rosberg wurde im zweiten Silberpfeil Fünfter: „Letztendlich war ich heute nicht schnell genug, um die da vorne zu schlagen.“
In der WM-Wertung baute Vettel (132) mit seinem dritten Saisonsieg seinen Vorsprung auf 36 Zähler auf den nun zweitplatzierten Alonso aus. „Er ist auf Weltmeisterschafts-Kurs“, betonte Red Bulls Motorsportchef Helmut Marko. Allzu traurig war aber auch Alonso nicht: „Dieser zweite Platz schmeckt fast schon wie ein Sieg.“ Denn auf WM-Platz drei fiel Kimi Räikkönen zurück, der im Lotus zwar einen Rekord von Michael Schumacher einstellte, als Achter aber weiter Boden einbüßte: Sein Rückstand beträgt bereits 44 Punkte.
Für rund zwei Stunden war der Zoff um den Reifentest von Mercedes mit Hauptankläger Red Bull vergessen. Weder Vettel, noch die beiden Mercedes-Piloten ließen sich beim Start vom Streit beirren, der am ganzen Wochenende in Kanada tobte und mit der Verhandlung am 20. Juni vor dem Internationalen Tribunal seinen Höhepunkt haben wird.
Hinter Polesetter Vettel verteidigte Hamilton seinen zweiten Platz. Dahinter schob sich Rosberg an Überraschungs-Quali-Mann Valteri Bottas zudem von Platz vier auf Rang drei vor. Der finnische Williams-Fahrer musste bei seinem besten Karriere-Startplatz weiteres Lehrgeld zahlen: Auch Webber passierte Bottas, vor Ablauf der ersten von 70 Runden wurde er zudem von Alonso überholt.
Getreu der Devise „jeden Tag hat man aufs Neue die Chance, Gutes zu tun“, fuhr Vettel sich gleich mal ein kleines Polster raus. So konnte sich der 25 Jahre alte Heppenheimer in seinem Red Bull auch Hamilton und Rosberg zunächst vom Leib halten. Beide kamen nicht so nah heran, dass sie die Überholhilfe DRS hätten nutzen können. Also passierte ganz vorne erstmal nichts.
Dafür wurde es etwas weiter hinten brandgefährlich. Bei einem Manöver touchierten sich die Wagen von Bottas und dem Gräfelfinger Adrian Sutil. Der Force India drehte sich bei voller Fahrt 360 Grad, die Verfolger konnten gerade noch ausweichen. Sutil machte weiter, dann fuhr ihm aber auch noch Bottas' Teamkollege Pastor Maldonado ins Heck seines Wagens, der Venezolaner bekam dafür eine Durchfahrtsstrafe. Sutil, der von Platz acht gestartet war, landete letztlich auf dem zehnten Platz. Landsmann Nico Hülkenberg, einen Rang hinter Sutil gestartet, musste seinen Sauber vorzeitig abstellen.
Weiter vorn halfen im Kampf um den Sieg auch keine taktischen Manöver. Hamilton blieb länger mit den weichen Reifen draußen als alle anderen aus der fünfköpfigen Spitzengruppe. Auch das reichte nicht, Vettel war zu stark. Rosbergs Variante brachte auch nicht den erhofften Erfolg: „Er ist praktisch unter die Räder gekommen“, meinte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. Er musste zudem mit Blick auf Vettel einräumen: „Sebastian war vom Speed her jenseits von Gut und Böse.“
Und auch sonst lief alles für den Hessen. Sein zunächst schärfster WM-Verfolger musste lange Zeit außerhalb der Punkteränge um jeden Platz kämpfen: Räikkönen dümpelte nur im Mittelfeld rum. Nach einer Strafe in der Quali musste der Finne von Rang elf starten, bei einem Boxenstopp rutschte dann auch noch der Lotus vom Wagenheber. Die Sekunden zerronnen, und der „Iceman“ musste mal wieder eine Aufholjagd vom zwischenzeitlichen 13. Platz starten. Er schaffte es als Neunter noch in die Punkte - zum 24. Mal in Serie. Er stellte damit einen zehn Jahre alten Rekord von Schumacher ein.
Vorne aber machte Alonso noch soviel Boden gut wie möglich und schob sich am Ende vorbei an Hamilton auf den zweiten Platz. Für den vermeintlich größten Aufreger sorgte aber in der Schlussphase Vettel selbst, als er sich nach einem Fahrfehler einen Ausritt leistete. Selbst der blieb aber ohne Folgen. „Fantastisch Seb, fantastisch“, gratulierte ihm Teamchef Christian Horner bei der Zieldurchfahrt via Boxenfunk.