Wolff: Zwei Fahrer auf Augenhöhe
Melbourne (dpa) - Einbremsen will Toto Wolff seine beiden Fahrer auch in diesem Jahr nicht. Kurz vor dem Saisonauftakt der Formel 1 in Melbourne sprach der Mercedes-Motorsportchef in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur aber auch über andere Fragen in der Motorsport-Königsklasse.
Welchen Eindruck machen ihre beiden Fahrer auf Sie?
Toto Wolff: Sie machen einen guten Eindruck und sind in bester Verfassung. Sie gehen ins dritte Jahr zusammen und sind gut aufgestellt. Jeder für sich, jeder unterschiedlich. Ich kann da keine Defizite erkennen.
Nico versucht, weitere Details zu verbessern. Besteht vielleicht die Gefahr, dass er es in diesem Jahr zu arg will und verkrampft?
Wolff: Nein, die Gefahr besteht nicht. Nico und auch Lewis betreiben diesen Sport, seit sie sehr jung sind. Sie wissen, was sie tun und was sie nicht tun können. Es geht bei beiden sicher nur um kleine Veränderungen, um einfach noch mehr Leistung abzurufen. Sie sind sich im vergangenen Jahr nichts schuldig geblieben, und das Leistungslevel war auf einem ganz ähnlichen Niveau. Im Winter geht es darum zu reflektieren, wo man noch ein kleines bisschen mehr rauskitzeln kann. Bei Nico zum Beispiel, wie er im Auto sitzt, wie er sich vorbereitet, wie er die Stressbelastung verbessern kann. Bei Lewis sind es andere Dinge.
Lewis steht weiter in Vertragsverhandlungen mit Ihnen - wie gestaltet sich das denn?
Wolff: Die Vertragsverhandlungen laufen so gut, wie man sich das unter Partnern nur wünschen kann. In dem Fall ist es eine einfache Situation, wir wollen mit ihm weitermachen. Er will natürlich im besten Auto fahren und im Moment stellen wir das. Daher ist die Stimmung positiv. Dennoch geht es um einen Vertrag und dafür muss man sich Zeit nehmen. Dass er keinen Manager hat, spielt keine Rolle, weil er ein intelligenter Kerl ist, der sich auch in diesem Bereich weiterentwickeln will und das auch macht. Für mich ist es vielleicht ein klein wenig komplizierter, diffiziler, er ist unser Fahrer, und wir versuchen ihm die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass er die beste Leistung bringt. Da ist es natürlich leichter, mit einem Manager zu sprechen und diesem wenn notwendig die Leviten zu lesen.
Ist er ein so harter Verhandlungspartner wie er auf der Strecke fährt?
Wolff: Der Lewis ist nicht nur Weltmeister, weil er einen schweren rechten Gasfuß hat. Sondern weil er intelligent ist und soziale Intelligenz besitzt. Es sind Verhandlungen, auf die er sich gut vorbereitet. Es sind aber normale Verhandlungen. Wir wollen auch nichts überstürzen.
Haben Sie sich ein Zeitfenster gesetzt?
Wolff: Nein, das haben wir uns nicht gesetzt. In dem Moment, in dem man sich ein Ultimatum oder Zeitfenster setzt, bringt es Druck in die Verhandlungen. Und das brauchen wir nicht. Gewissermaßen sind wir uns ja einig, dass wir weitermachen wollen. Jetzt geht es um die Details.
Inwiefern hat sich womöglich durch den Titel von Lewis vor Nico in der vergangenen Saison eine „natürliche“ Rangordnung ergeben?
Wolff: Überhaupt nicht. Es gibt keine natürliche Rangordnung, weil die beiden auf einem absolut gleichwertigen Niveau gegeneinander im vergangenen Jahr gefahren sind. Es hätte auch andersrum ausgehen können. Wir starten die Saison wie im vergangenen Jahr: Mit zwei Fahrern auf Augenhöhe, die auch so behandelt werden.
Wie gefährlich kann Ferrari mit Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen Mercedes in diesem Jahr werden?
Wolff: Ferrari kann gefährlich werden. Die haben in den Tests gute Leistungen gezeigt und sind schnell gefahren. Das ist ein Team, mit dem zu rechnen ist.
Wie viel hat Mercedes noch zurückgehalten?
Wolff: Zurückhalten tut niemand etwas. Wir sind unser Programm gefahren, genauso wie wir es geplant hatten und genauso wie es die anderen Teams auch machen. Da wird versucht und experimentiert, aber niemals vor dem Hintergrund, irgendwas zurückzuhalten.
Ist der Kampf der deutschen Rennstrecken eines der Symptome einer maladen oder schwer angeschlagenen Formel 1?
Wolff: Die Formel 1 ist überhaupt nicht malade und schon gar nicht angeschlagen. Die Formel 1 prosperiert, hat einen immer größer werdenden Preisgeldtopf, aus dem die Teams schöpfen können. Und das gilt für jedes Team. Natürlich ist es richtig, dass wir in einigen Ländern ein geringeres Zuschauerinteresse verzeichnen. Das ist auch in Deutschland so. Dafür gibt es sicher Gründe. Wir haben vielleicht einen gewissen Kater, weil wir viele Jahre deutsche Erfolge gesehen haben durch Michael Schumacher und Sebastian Vettel. Es gibt auch ein verändertes Konsumverhalten. Das Ritual, sich um 14.00 Uhr am Sonntag ein Formel-1-Rennen anzuschauen, verändert sich. Die Sehgewohnheiten verlagern sich vom Fernsehen vor allem ins Netz. Aber wenn man die Quoten für die Formel 1 aus den verschiedenen Plattformen zusammenrechnet, dann steigt diese wiederum. Jede andere Sportart steht letztlich vor den gleichen Herausforderungen - nämlich dass sich die digitale Welt verändert.
Und was ist mit den insolventen Teams und denen, die immer nur gerade so überleben?
Wolff: Grundsätzlich war die Formel 1 immer so. Es gab Teams, die gekommen und gegangen sind. Manchmal unter falschen Prämissen, manchmal mit den falschen Geschäftsmodellen. Die Formel 1 ist die Champions League des Motorsports und man muss wissen, was man tut, wenn man sich auf dieses Spielfeld wagt. Es ist ein Spielfeld multinationaler Konzerne mit großen Interessen. Es ist, wie es immer war. Man muss einfach mal damit aufhören, es immer schlecht zu reden.
Wie bedenklich ist es aber, dass selbst ein Rennstall wie Force India, immerhin Sechster der Konstrukteurswertung im vergangenen Jahr, erst beim letzten Test mit dem neuen Auto antreten konnte - und das nochmal mit einem Tag Verspätung?
Wolff: Auch das gab es immer. Das ist überhaupt nichts Neues. Sei es aus technischen, finanziellen oder logistischen Gründen. Wir haben auch schon Testfahrten gesehen, bei denen Red Bull nicht angetreten ist, weil sie den Launch nach hinten verschoben haben. Force India ist ein privates Team, das mit der Herausforderung leben muss, sein Budget zusammenzubekommen. Noch einmal: Das ist wie in jeder anderen Sportart. Aber wir befinden uns ständig unter einem Vergrößerungsglas. Da werden Interessen über die Medien gespielt. Und dazu gehört auch darüber zu klagen, dass Budgets zu hoch sind, um konkurrenzfähig zu sein. Es ist gleichwohl auch in unserer Verantwortung, die kleineren Teams zu unterstützen und nicht wegzuschauen. Zu unserer Plattform gehören auch sie.
ZUR PERSON: Toto Wolff (43 Jahre) geht in seine dritte Formel-1-Saison als Motorsportchef von Mercedes. Der Österreicher ist mit Rennfahrerin Susie Wolff verheiratet. Den deutschen Rennstall leitet er zusammen mit Paddy Lowe.