Forza Vettel: Sieg in Italien - Titel ganz nah
Monza (dpa) - Sebastian Vettel rieb sich Schweiß und Tränen aus den Augen und streckte den Daumen nach oben: Mit einer weltmeisterlichen Vorstellung hat der Titelverteidiger den entscheidenden Schritt zur möglichen Krönung schon in zwei Wochen gemacht.
Sichtlich ergriffen ließ sich der Heppenheimer Red-Bull-Pilot drei Jahre nach seinem ersten Formel-1-Sieg wieder auf dem Podium in Monza feiern. „Du stehst da und fühlst dich so glücklich“, meinte Vettel: „Es ist unheimlich emotional. Es bedeutet mir sehr viel.“
Völlig berauscht war auch Vettels Red-Bull-Teamchef Christian Horner nach dem Triumph beim Großen Preis von Italien: „Ich bin absolut high. Hier in Monza zu gewinnen ist etwas ganz besonderes.“ Vettel verwies bei seiner Gala-Fahrt mit einem denkwürdigen Überholmanöver seine WM-Verfolger Jenson Button im McLaren und Fernando Alonso im Ferrari auf die weiteren Podestplätze.
Beim nächsten Rennen in Singapur kann Vettel nun vorzeitig seinen zweiten Titel einfahren. „Wow“, meinte er. „Das war bis jetzt ein unglaubliches Jahr. Wir haben uns in eine sehr gute Ausgangsposition gebracht. Wir nehmen Singapur genauso wie die anderen Rennen auch.“
Vettel hat 112 Punkte Vorsprung auf den neuen Gesamtzweiten Alonso. Hat Vettel nach dem 14. WM-Lauf mindestens 125 Punkte auf seinen ersten Verfolger, ist er in den dann noch ausstehenden fünf Rennen nicht mehr einzuholen.
Red-Bull-Teamkollege Mark Webber hat die Hoffnung nach seinem frühen Ausfall in Monza jedenfalls aufgegeben. „Jetzt bin ich aus dem Rennen“, sagte der Australier, der von Platz zwei auf den vierten WM-Rang zurückrutschte (117 Punkte Rückstand) hat. Button ist nun Dritter mit ebenfalls 117 Zählern weniger als Vettel. Lewis Hamilton, Vierter in Italien, hat als WM-Fünfter 126 Punkte Rückstand.
Neben dem Heppenheimer sorgte eine Zeit lang auch Michael Schumacher für packende Manöver auf dem Hochgeschwindigkeitskurs und fuhr im Mercedes wie vor zwei Wochen in Spa-Francorchamps auf den fünften Platz. Teamkollege Nico Rosberg schied nach einem unverschuldeten Crash dagegen nach wenigen Metern aus, Adrian Sutil wurde im Force India von einem Hydraulikdefekt gestoppt. Timo Glock schaffte es im unterlegenen Marussia Virgin in dem spannenden Rennen immerhin bis auf Platz 15.
Kaum waren die Roten Ampeln erloschen, brannten Vettel und seine Verfolger ein Überholfeuerwerk ab. Vettel schaffte es nicht, seine 25. Pole zu verteidigen. Doch nicht der neben dem Hessen gestartete Hamilton übernahm zur ersten Kurve die Führung: Innen attackierte Vorjahressieger Alonso (Startplatz 4). Selbst ein Grünstreifen konnte den Spanier nicht bremsen, er raste an den beiden Kontrahenten vorbei. „Ich weiß gar nicht, wo Fernando so schnell herkam“, meinte Vettel. Von hinten katapultierte sich währenddessen auch der fünfmalige Monza-Sieger Schumacher bis auf Rang vier vor.
Sein Mercedes-Teamkollege Rosberg hatte weniger Fortune. Von Rang neun und damit einen Platz hinter Schumacher gestartet, wurde Rosberg ebenso wie der russische Renault-Pilot Witali Petrow in einen Unfall durch Vitantonio Liuzzi (HRT) verwickelt. Das Safety Car musste auf die Strecke. Als das Rennen wieder frei war, setzte Vettel zum spektakulärsten Manöver in seinem 75. WM-Lauf an.
Der 24-Jährige zog in der fünften Runde außen an dem zweimaligen Weltmeister Alonso vorbei. Rad an Rad rasten die beiden bei der knallharten, aber fairen Attacke nebeneinander her, Vettel musste sogar übers Gras. „Du hast nichts zu verlieren im Kampf gegen Sebastian. Wenn du dich verteidigen musst, gehst du ein bisschen härter ran“, meinte Alonso mit einem Schmunzeln, als die beiden gut gelaunt nebeneinander bei der Pressekonferenz saßen.
„Alle die sagen, dass der Junge nicht überholen kann, haben heute gezeigt bekommen, wo der Hammer hängt“, lobte Teamchef Horner seinen Topstar Vettel. Während Stallrivale Webber nach einem Crash mit Felipe Massa und einem demolierten Frontflügel ins Kiesbett rutschte, baute Vettel seine Führung in den ersten 18 von insgesamt 53 Runden auf dem 5,793 Kilometer langen Kurs auf über zehn Sekunden aus.
Dahinter rieb sich vor allem Hamilton im Duell mit Schumacher auf. Nachdem Button elegant an dem Silberpfeil vorbeigefahren war, hing Hamilton erstmal hinter dem Rekordchampion fest. Dabei geriet die knallharte Verteidigungslinie des siebenmaligen Weltmeisters auch ins Visier der Rennkommissare - von der Box wurde Schumacher aufgefordert, die Linie nicht zu oft zu wechseln. Und prompt huschte auch Hamilton vorbei.
Vettel fuhr unterdessen - einmal mehr - sein eigenes Rennen. Nachdem er im Königlichen Park von Monza 2008 (damals noch im B-Team Toro Rosso) seinen ersten Formel-1-Sieg gefeiert hatte, drehte er konstant wie ein Uhrwerk mit über zehn Sekunden Vorsprung seine restlichen Runden. Hinzu kam, dass auch seine Boxencrew grandiose Arbeit leistete: Beim zweiten Stopp wurden die Reifen in 2,9 Sekunden gewechselt. Für den 18. Sieg in seiner Karriere benötigte Vettel 1:20:47,172 Stunden. Für seinen zweiten WM-Titel könnte er gerade mal 14 von 19 Rennen benötigen.