Leidgeprüfter Vettel: Seuchensaison statt Siegesserie
Spa-Francorchamps (dpa) - Der Titel ist längst außer Reichweite, und selbst auf einen Sieg bestehen nur vage Hoffnungen: Für den erfolgsverwöhnten Sebastian Vettel ist diese Formel-1-Saison eine einzige Enttäuschung.
„Es war eine harte erste Saisonhälfte“, bilanzierte der vierfache Weltmeister frustriert. Die Aussichten, nun nach der Sommerpause eine Trendwende zu schaffen und das verflixte Seuchenjahr wenigstens noch einigermaßen passabel abzuschließen, scheinen eher düster. Aber Vettel bleibt zuversichtlich. „Ich gehe davon aus, dass wir nicht so viele Probleme wie in der ersten Hälfte haben werden“, sagte er am Donnerstag in Spa-Francorchamps.
So knüppeldick wie 2014 hat es den Hessen in acht Jahren in der Königsklasse noch nie erwischt. Eine verkorkste Testphase vor dem Saisonstart, jede Menge technische Defekte, ein leistungsschwacher Hybrid-Turbo von Renault, taktische Fehler der Teamstrategen, aber auch einfach Pech im Rennverlauf - eigentlich ging für den Red-Bull-Piloten schief, was nur schief gehen konnte. „Es gibt viele Dinge, die wir hätten besser machen können“, räumte Vettel ein und bezog das auch ausdrücklich auf sich selbst.
Vor dem Großen Preis von Belgien an diesem Sonntag (Start: 14.00 Uhr) fährt Vettel mit für ihn mageren 88 Punkten meilenweit hinter der WM-Spitze her. Der Gesamtsechste aus Heppenheim liegt angesichts der erdrückenden Mercedes-Dominanz faktisch uneinholbare 114 Zähler hinter WM-Spitzenreiter Nico Rosberg (202) und 103 Punkte hinter Lewis Hamilton (191) im zweiten Silberpfeil.
„Ich bin leider ein bisschen weit weg“, sagte Vettel. Es sei absehbar, dass die WM-Entscheidung zwischen Rosberg und Hamilton fallen werde. „Es müsste viel passieren, dass Mercedes das noch verspielt.“
Mindestens ebenso sehr stinkt Vettel, dass auch sein Teamkollege Daniel Ricciardo (131) schon 43 Punkte mehr als er aufweist. Während der einstige Seriensieger nur zweimal als Dritter auf dem Podest stand, konnte der australische Red-Bull-Aufsteiger mit seinen zwei Grand-Prix-Triumphen in Kanada und zuletzt Ungarn als einziger die Siegesserie des Silberpfeil-Duos durchbrechen. Ricciardo kommt mit dem RB10, den Vettel einmal abschätzig als „Gurke“ abqualifiziert hatte, deutlich besser zurecht.
Bei den Red-Bull-Verantwortlichen genießt der Superstar trotz seines Absturzes weiter große Unterstützung. „Man muss die Gründe erkennen, warum etwas nicht so läuft. Bei Vettel lag es zum größten Teil daran, dass es extreme Zuverlässigkeitsprobleme mit seinem Auto gab, und wenn es dann mal lief, hatte er Pech“, sagte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko. Die Kritik am 27 Jahre alten Titelverteidiger sei „zum größten Teil überzogen und unfair“.
Die Red-Bull-Riege weiß, dass sie ihren Vorzeigefahrer speziell in dieser sportlich deprimierenden Phase nicht vergrätzen darf, damit dieser sich nicht doch noch ernsthaft mit attraktiven Alternativen befasst. Der Vertrag läuft zwar noch bis 2015, aber immer wieder machen Spekulationen die Runde, Mercedes und Ferrari seien an einer Verpflichtung Vettels interessiert.
Marko ist davon überzeugt, dass Red Bull dank einer intensivierten Zusammenarbeit mit Renault seinen Fahrern in der kommenden Saison wieder einen gewohnt siegfähigen Rennwagen stellen kann. Zudem setzt der Österreicher auf die mentalen, kämpferischen und fahrerischen Qualitäten Vettels: „Sebastian kann wie kaum ein anderer seine Batterien neu aufladen. Es war extrem, wie er sich in den letzten Jahren gerade nach der Sommerpause noch einmal steigern konnte.“
Besonders eindrucksvoll bewies dies Vettel im Vorjahr. Sein Sieg auf dem anspruchsvollen Ardennen-Kurs war der Auftakt für eine spektakuläre Serie: In den auf Belgien folgenden acht Rennen triumphierte Vettel ebenfalls. „Daran denke ich immer gerne“, sagte er. „Spa ist einer meiner Lieblingskurse.“